"Shame" und Sexsucht

In den deutschen Kinos läuft „Shame“ mit Michael Fassbender an, ein brillantes Profil eines Menschen, den man als sexsüchtig bezeichnen kann. Gelungen kühl zeigt der Film, wie trostlos  Sex wird, wenn er nur Füllmaterial in einem intimitätsscheuen Leben ist, egal wie attraktiv die Performance-Partner sind. Weil es die ganze Zeit um bedeutungslosen Sex  geht, macht der Film auch keinen „Spaß“ (im unschuldigen Sinn des Wortes). Aber er lohnt sich.


„Bild“ hat mich anläßlich des Films zum Thema „Sexsucht“ interviewt.  Hier ist das leicht überarbeitete Interview:


Was ist Sexsucht? 


Eine übermäßige Abhängigkeit von sexueller Aktivität (Pornos anschauen, masturbieren oder ins Bordell gehen) ohne dass sich dabei das Gefühl von Befriedigung einstellt. Sexsüchtige verspüren pausenlos ein Gefühl von „getrieben sein“. Die Sexualität hat sie und nicht umgekehrt.


Wie erkenne ich, dass ich oder mein Partner sexsüchtig ist?


Rein detektivisch ist Sexsucht nicht nachweisbar. Das Beste ist, den Partner bei einem konkreten Verdacht anzusprechen und hoffen, dass er es eingesteht - sofern es ihm selber überhaupt klar ist. Hinweise auf Sexsucht könnten eine ständige geistige Abwesenheit des Partners sein oder übermäßige Aktivität im Internet.


Gibt es einen Test?


Im Internet gibt es eine Reihe von Tests. Der geläufigste ist der Test des amerikanischen Psychiaters Patrick Carnes.


Ab wie oft bin ich sexsüchtig?


Es kann sein, dass jemand zehn Mal am Tag Sex hat, aber trotzdem nicht sexsüchtig ist. Sexsucht wird nicht an der sexuellen Aktivität gemessen, sondern am Grad der Abhängigkeit. Beispiel: Jemand wird depressiv, wenn er am Sex gehindert wird oder ein Mitarbeiter kann erst dann zur Arbeit gehen, wenn er am Morgen einen Orgasmus hatte.


Ist Sexsucht eine Krankheit?


Darüber streiten sich die Experten. Wenn man es äußerst eng definiert, kann man sie als Krankheit bezeichnen. Es ist aber immer vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Nicht jeder, der mit mehr als einem Partner pro Tag verkehrt, ist sexsüchtig.


Gibt es eine Ursache für Sexsucht?


Stark Sexsüchtige haben häufig schon an einer anderen Sucht (z.B. Alkohol oder Medikamente) gelitten. Die Sucht kann in kritischen Lebensphasen ausgelöst werden. Sexsüchtige versuchen, über ihre Sexualität eine starke innere Leere zu füllen.


Gibt es einen Unterschied zwischen Mann und Frau?


Keinen großen. Bei Frauen gibt es eine monogam-sexsüchtige-Variante. Ihre Sucht konzentriert sich dann nur auf einen Partner, den sie dauernd strapazieren. Trotzdem müssen sie nicht untreu werden. Männer gehen in Porno-Kinos oder ins Bordell.


Wie kann man Sexsucht therapieren?


Es gibt keine Standardmethode. Man kann Medikamente geben,  die den Trieb dämpfen, aber starke Nebenwirkungen wie Müdigkeit verursachen. Empfehlenswerter sind  Gruppentherapie und Selbsthilfegruppen. Durch die soziale Verbundenheit spüren die Betroffenen, dass sie nicht allein sind. Wer einmal sexsüchtig wird, braucht es nicht zu bleiben. Es gibt durchaus starke Phasen, die sich aber wieder legen können.


Wie sollte sich der Partner verhalten?


Er sollte zuhören, fragen und Interesse zeigen, aber nicht bewerten. Nicht gleich die Keule rausholen und mit Trennung drohen. Sonst macht der Partner in Zukunft dicht und erzählt nichts mehr. Besser Bereitschaft signalisieren, sich die außergewöhnlichen Bedürfnisse des Partners anzuhören.  Er sollte das Gefühl haben, dass seine Not gehört wird.


Wo und wie bekommt man Hilfe?


Zunächst sollte man mit einer Person des Vertrauens reden und sich einen Termin bei einem Psychiater holen.  Außerdem können Selbsthilfegruppen weiterhelfen. Sie vermitteln einen Kontakt zu einem geeigneten Therapeuten.