Angenommen, Nicht-Monogamie wäre die Norm....

Ich bin gerade ein paar Tage in Jerusalem bei der Jahrestagung der „International Society for the Study of Women’s Sexual Health“. Eine solche Spezialfachgesellschaft gibt es wirklich, und sie hat ein ziemlich anspruchsvolles Programm.


Ich hatte das Vergnügen, in einem Symposium über „Monogamy“ vorzutragen, auf dem auch Cindy Meston aus Austin/Texas einige Daten vorstellte. Meston gehört in meinen Augen zu den Stars der empirischen Forschung über weibliche Sexualität.


In einer ihrer noch unpublizierten Studien fragte sie monogam lebende Männer und Frauen: „Würden Sie weiter monogam bleiben, wenn Sie in einer Gesellschaft leben würden, in der jeder offene Beziehungen mit mehreren Partnern hat?“


Angenommen-daß-Fragen finde ich immer ganz witzig, weil man unverbindlich im Möglichkeitsraum umherfantasieren kann.  Überraschend bleibt mehr als die Hälfte  (70% der Frauen, 55% der Männer) ihrer monogamen Lebensform treu. Konvertiten, die zur Nicht-Monogamie überlaufen würden, waren 25% der Frauen, 43% der Männer.


Mindestens ebenso interessant fand ich aber die Diskussion im Plenum. Einige Diskutanten wollten unbedingt wissen, ob die für Nichtmonogamie votierenden irgendwelche sexuellen Störungen hätten. Für mich ein schönes Beispiel, wie sozial beunruhigendes Begehren die Pathologisierer auf den Plan ruft, die es in einer diagnostischen Schublade unterbringen und krankschreiben wollen.


Aber die Mehrheit quittierte dann doch lachend das Fazit: „Adultery is not a treatment option for orgasmic dysfunction“.