Nur 28 Seiten, Schwarz-Weiß-Zeichnungen  – das soll ein Buch sein?
„Da passiert doch gar nichts!?“ Ein nicht gerade freundlicher Satz. Er stammt aus einer Besprechung des Buchs „Meine Schwester mag…“ aus der Reihe Carl-Auer-Kids, veröffentlicht im neuen Heft „Schwierige Kinder – verstehen und helfen. Wir finden die Rezension trotz oder sogar wegen dieses Satzes besonders gelungen und möchten sie Ihnen nicht vorenthalten:

Aus der Sicht einer kleinen Schwester erzählt das Büchlein von einer Schwestern - Beziehung: Eine Zeichnung zeigt, was die kleine Schwester an ihrer großen Schwester beobachtet: „Meine Schwester mag…“ (Katzen, Schaukeln, Pfützen…) und auf der folgenden Seite teilt sie mit „Und ich auch.“, eine Zeichnung zeigt auch das.

Diese knappe Zeichnung-Satz-Sequenz wiederholt sich bis zuletzt: „Aber am liebsten von allem mag meine Schwester…“ (neue Seite) „mich“. 
Nur 28 Seiten, Schwarz-Weiß-Zeichnungen und zu jeder Zeichnung lediglich ein lapidarer Satz – das soll ein Buch sein? Da passiert doch gar nichts!? Ziemlich sparsam - ist das überhaupt noch zumutbar in unserer bilderüberreichen und zugetexteten Welt? 

Ich kenne etliche kleine Schwestern, die ihre große Schwester vergöttern, anhimmeln und sie nachahmen. Die Hingabe der Kleinen, das rührende Bemühen, der Großen zu gleichen, leuchtet aus jeder Seite des Büchleins. Insoweit ist es eine goldige Liebeserklärung und gern auch ein Geschenk für eine (getrost auch erwachsene) Schwester.

Das Buch zeigt nur die eine, die kuschelrosafarbene Seite einer Beziehung, die doch „in echt“ noch viele andere Facetten aufweist, die weit entfernt sind von diesem freundlichen Ideal. Wer längere Zeit in eine Geschwisterbeziehung hineinhorcht, lernt etwas über deren lebenslange Entwicklung, die (notwendigen) Veränderungen, erkennt die Feindseligkeiten, Eifersucht und Neid. Diese dunkleren Seiten klammert das Büchlein aus. 

Kein Hauch trübt den Frieden, und nur solch miesmachende Leute wie ich hören im Hintergrund geschwisterliches Kampfgetümmel, Schimpfkanonaden, Gekreisch und Türenknallen. Sicher, wenn alles gut geht, siegt immer wieder die Schwesternliebe, die Liebe zu einem Menschen, der einen vom Beginn des Lebens an (oder nur wenig später) kennt, der die häuslichen Dramen miterlebt hat und den Stallgeruch teilt. 

Die Idylle, die im Buch als Realitäts-Ausschnitt zu sehen ist, die Homöostase (vielleicht besser: die Homöodynamik) müssen sich die Beteiligten immer wieder erarbeiten, müssen darum kämpfen, einen Moment der Idylle wiederzuerlangen. Die Beziehung bedarf der Erinnerung an die vergangenen Momente inniger Gefühle, um Krisen zu bewältigen. Wenn das Buch  in solchen Zeiten dem emotionalen Gedächtnis auf die Sprünge hilft, hat es allemal seinen Zweck erfüllt."

Wir danken dem Theraplay Journal, Redaktion Barbara Friedrich, für die freundliche Überlassung des Artikels.

Carl-Auer-Literturtipp:
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