Konstruktivismus – aus dem Regal geholt
 Der Kommunikationswissenschaftler und Autor Bernhard Pörksen ist am Samstag, den 15. Juli 2017 Gast des Fachtags der DGSF im  Wenger Mühle Centrum, Bad Wurzach. Hier hält er einen Vortrag mit dem Titel „Anleitung zum Andersdenken – der neue Konstruktivismus?“  Pörksen gehört wohl eher zu den Verfechtern des Konstruktivismus, wie zuletzt in seinen zahlreichen Stellungnahmen in der Debatte um den Begriff des „Postfaktischen“ durchschien.

Wie stark der Konstruktivismus als philosophisches Metamodell seit Jahrzehnten auf den unterschiedlichsten Feldern die Diskurse mitbestimmt, etwa in den Sozialwissenschaften oder der Pädagogik, verwundert niemanden, der die grundlegenden Arbeiten zum Thema schon kennt und wer sie nicht kennt, hat bei Carl-Auer Gelegenheit, sich einzulesen.


Carl-Auer-Literaturtipps:

Ein kompakter Einstieg ins Universum des Konstruktivismus
In Bernhard Pörksens „Die Gewissheit der Ungewissheit – Gespräche zum Konstruktivismus“ kommen die Begründer des Konstruktivismus und der modernen Systemtheorie zu Wort. Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Humberto R. Maturana, Gerhard Roth, Siegfried J. Schmidt, Helm Stierlin, Francisco Varela und Paul Watzlawick offenbaren im Dialog mit Pörksen ein Denken, das die Fixierung scheut und das Ideal der Objektivität als einen Mythos versteht. Dabei werden auch Ergebnisse der Hirnforschung,  Einsichten der Kybernetik, die sprachliche Determiniertheit des Denkens und die innere Verbindung von Erkenntnistheorie und ethischer Praxis gestreift.

*Bernhard Pörksen: „Die Gewissheit der Ungewissheit – Gespräche zum Konstruktivismus“

Festschrift für einen Klassiker des Konstruktivismus 
Paul Watzlawick, selbst ein überragender Kommunikationstheoretiker, und der Dokumentarfilmer Peter Krieg hatten für eine Festschrift zu Ehren von Heinz von Foerster Wissenschaftler von Rang eingeladen, um über den Einfluss des radikalen Konstruktivismus zu sprechen. Es entstand ein faszinierender Einblick in den Stand konstruktivistischen Denkens in Soziologie, Biologie, Literaturwissenschaft und Psychologie bis hin zum Journalismus.

*Paul Watzlawick, Peter Krieg (Hrsg.): „Das Auge des Betrachters– Beiträge zum Konstruktivismus“

Begegnung der besonderen Art
Zwei ältere Herren, einer Biophysiker, der andere Psychologe, treffen sich, um über die Vergangenheit zu sprechen. Während des Dialogs erkennen sie ihre erstaunliche Geistesverwandtschaft. Das könnte eine ganz alltägliche Geschichte sein. Allerdings handelt es sich bei den beiden Protagonisten um die Väter des Radikalen Konstruktivismus. Der Bitte ihres Verlegers, ein Tonband mitlaufen zu lassen, kamen sie gerne nach. Ein Glücksfall, wie sich im Nachhinein herausstellt.
*Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld:  „Wie wir uns erfinden. Eine Autobiographie des radikalen Konstruktivismus“

Einladung zum Mitdenken
Das erkennende Subjekt, so eine zentrale These von Ernst von Glasersfeld, verfügt nur dann über Wissen, wenn es dieses über eigene Denkoperationen selbst hergestellt hat. Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Abbilden der äußeren Wirklichkeit, sondern eher ein Erfinden von Wirklichkeit. Glasersfelds klare wissenschaftliche Prosa gewährt außergewöhnliche Einsichten in die Luzidität seines Denkens. 

*Ernst von Glasersfeld:
„Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken“

Systemtheorie und Konstruktivismus 
Fritz B. Simon eröffnet in seinem Einführungsbuch einen riesigen Horizont: Er erstreckt sich von den  Anfängen der Kybernetik und Systemtheorie über die Chaos- und Komplexitätstheorie zur Theorie autopoietischer Systeme bis hin zur neueren soziologischen Systemtheorie. Der Leser bekommt eine kompakte und konsistente theoretische Basis. Von dort ergeben sich fast von selbst jede Menge Praxisbezüge zu unterschiedlichen Feldern, darunter zur Psychotherapie und Familientherapie, Pädagogik, Organisationsberatung, Management, Politik.

*Fritz B. Simon:
„Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus“

Misstrauen Sie Ihrer Intuition!
Finden die Konstruktionen der Wirklichkeit nur in unserem Denken statt oder konstruieren wir die Wirklichkeit, in der wir leben, auch in unseren Emotionen? Dieser Frage geht Rolf Arnold nach und  entdeckt dabei, dass unsere Gefühle eine Art erster Verstand sind, mit dem wir uns Situationen, Interaktionen und Personen so „zurechtfühlen“, wie wir sie kennen und auszuhalten vermögen: Wir denken und handeln so, wie uns unsere Gefühle gewachsen sind – so könnte man die Allgegenwart und Wirkungskraft unseres Gefühlskörpers kurz umschreiben.

 *Rolf Arnold: „Seit wann haben Sie das? Grundlinien eines Emotionalen Konstruktivismus“

Und was hat das bitte mit systemischer Theorie und Praxis zu tun?
Karl Tomm hat sich als Therapeut wohl am intensivsten mit den Folgerungen der Ideen des radikalen Konstruktivismus und den Arbeiten Humberto Maturanas für die therapeutische Praxis beschäftigt. Seine Beiträge und Aufsätze verweisen auf eben jene Aspekte ihrer Herkunft und zeichnen zugleich die Weiterentwicklungen der Familientherapie von den strukturellen und strategischen Ansätzen zum systemischen Modell und von der Fokussierung auf das Klientensystem (Kybernetik beobachtbarer Systeme) zur systemischen Therapie zweiter Ordnung (Kybernetik beobachtender Systeme) nach. 

*Karl Tomm: „Die Fragen des Beobachters – Schritte zu einer Kybernetik zweiter Ordnung in der systemischen Therapie“