Ein perfektes Beispiel irrationalen Verhaltens?
Die erste Schockwelle nach dem BREXIT-Votum der Briten ebbt allmählich ab. In den europäischen Leitmedien hat sich zur Bewertung der Ereignisse vergleichsweise schnell das Wort „irrational“ als größter gemeinsamer Nenner durchgesetzt. Der Economist titelt: „Brexit is a perfect example of irrational behavior“, die Spiegel-Schlagzeile lautet: „Brexit und Börsenabsturz: Die Briten haben irrational entschieden".

Spaniens „El Mundo“ trifft - wenngleich vorwurfsvoll – einen ähnlichen Ton:  „Der Brexit ist ein Akt der Verantwortungslosigkeit." Und die New York Times kehrt die Metapher vom Licht der Vernunft um und bringt deren Nachtseite ins Spiel: „Der kolossale Sprung in die Dunkelheit, den traditionell vorsichtige Menschen – die Briten – bereit zu nehmen sind, muss ernst genommen werden. Er suggeriert, dass solche Sprünge anderswo stattfinden könnten, möglicherweise in Trumps Amerika.“

Es bleibt schwer verständlich, wie trotz aller Warnungen vor drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen die als cold blooded geltenden Briten ihre Entscheidung treffen konnten. Vielleicht hilft es, die Paradoxien genauer ins Visier zu nehmen, statt über sie hinwegzueilen. Zwei Bücher, die auf den ersten Blick gar nichts mit dem aktuellen Thema zu schaffen haben, können interessante Perspektiven auf die seltsame Gemengelage von Emotion und Kalkül beim Brexit eröffnen:

Fritz B. Simon hat nach der letzten Wirtschaftskrise die Bewältigung widersprüchlicher Zielvorgaben systemisch betrachtet. In seinem Buch „Wenn rechts links ist und links rechts – Paradoxiemanagement in Familie, Wirtschaft und Politik“ fragt er, was die Logik und Psychologie des Zockens mit der des Kapitalismus zutun hat, wie Genie und Wahnsinn von Organisationen entstehen. Dabei geht es dem Autor darum, auszuloten, welche Lösungsstrategien Paradoxien überhaupt zulassen, welche Chancen sie eröffnen. In dem Buch „Die Familie des Familienunternehmens – Ein System zwischen Gefühl und Geschäft“ beschreibt Fritz B. Simon, wie Familienunternehmen ökonomische, vor allem aber ihre besonderen emotionalen Herausforderungen, Risiken und Chancen bewältigen können. Die systemische Sicht beider Bücher könnte ein differenziertes Verständnis des Brexit befördern helfen.

Carl-Auer Literaturtipp:
Fritz B. Simon: „Wenn rechts links ist und links rechts – Paradoxiemanagement in Familie, Wirtschaft und Politik
Fritz B. Simon: „Die Familie des Familienunternehmens – Ein System zwischen Gefühl und Geschäft