Droht die Banalisierung der systemischen Methode und Beratung?
Im ARD-Morgenmagazin wurde heute die Familien- und Paartherapeutin Lineke Visser zum Brexit aus systemischer Sicht befragt. Das Interview förderte keine besonders tiefgründigen Einsichten zutage, abgesehen davon vielleicht, mit welcher Selbstverständlichkeit die Redaktion eine systemisch- familientherapeutische Sichtweise auf ein tagespolitisches Thema in ihren Sendeplan aufgenommen hat.

Im Interview wurde denn auch nicht hinterfragt, weshalb ausgerechnet dieser Ansatz besonders prädestiniert sei, über die Lage der europäischen Länderfamilie zu reflektieren. Es gab kein „Legitimationsproblem“, wie uns Frau Visser auf Nachfrage bestätigte, und deshalb habe sie auch ganz spontan die Einladung zum Interview angenommen. 

Überraschend ist die Beiläufigkeit, mit der systemische Einsichten vom Mainstream integriert werden. Die Mitteldeutschen Zeitung titelte neulich „Therapeut erklärt: Warum wir unseren Ex bei Facebook & Co. löschen dürfen“. Der Familientherapeut Dr. Björn Enno Hermans gibt in dem Artikel getrennten Paaren konkrete Ratschläge zum Umgang mit sozialen Medien. 

Droht etwa die Banalisierung der systemischen Methode und Beratung? Einige MoMa-Zuschauer zeigten sich auf Twitter entsprechend empört. Oder darf man sich einfach darüber freuen, dass die systemische Sicht im Alltag der Menschen und bei ihren alltäglichen Problemen angekommen ist?“ 

Carl-Auer-Literaturtipp:
Niklas Luhmann: „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“ (derzeit vergriffen)
Niklas Luhmann: Einführung in die Systemtheorie