„Die Schulpflicht gehört abgeschafft!“
In einigen Bundesländern sind die Sommerferien bereits zu Ende gegangen. Nicht freiwillig und notfalls sogar unter Zwang geht das gemeinsame Lernen weiter. Das findet Philip Kovce nicht mehr zeitgemäß und eröffnet im Deutschlandfunk eine Debatte über Sinn und Unsinn der Schulpflicht. Kovce forscht am Basler Philosophicum sowie am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Philosophie der Universität Witten/ Herdecke. Er ist Mitglied des Think Tank 30 des Club of Rome. Hier sein Beitrag zum Nachhören.

Das Hauptargument der Schulpflicht-Befürworter lautet, die Schule ist dank der Schulpflicht noch ein Ort, der die „auseinanderdriftende individualistische Gesellschaft zusammenhält. Dagegen erklärt Kovce:  „Die Schulpflicht gehört abgeschafft!“ Die erzwungene Gemeinschaft pervertiere die Idee der Integration, sie erzeuge bestenfalls „Solidarität unter Leidensgenossen“. „Wenn der Schule in einer freien Gesellschaft eine Integrationsfunktion zukommen soll, müssen wir die Schulpflicht endlich abschaffen,“ meint Kovce.

Da dies jedoch auf absehbare Zeit nicht geschehen wird und man gleichzeitig vor dem formalen Zwangskontexts der Schulpflicht nicht kapitulieren  möchte, hängt der Integrationsauftrag der Schule entscheidend davon ab, ob echte Lern-Gemeinschaften entstehen können. Dies ist ein, vielleicht sogar d a s  zentrale Anliegen der systemischen Pädagogik.

Rolf Arnold beschreibt da so: „Dort, wo Erziehung Wirkungen zu entfalten vermag, kann als Voraussetzung aller Erziehungswirksamkeit die Qualität der Beziehung zwischen der Erziehungsperson und dem zu erziehenden Gegenüber angesehen werden. Diese Qualität ist durch drei Elemente bestimmt, die Tausch und Tausch als „bedingungslose Akzeptanz/Wertschätzung“, „empathisches emotionales Verstehen“ und „Echtheit/Kongruenz“ beschreiben. Es kommt demnach darauf an zu gewährleisten, dass Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher in die Lage versetzt werden, die zugewandten, wertschätzenden sowie konstruktiven Verhaltensweisen im Umgang mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen zu realisieren.“

Carl-Auer-Literaturtipps:
Rolf Arnold: „Aberglaube Disziplin – Antworten der Pädagogik auf das ‚Lob der Disziplin‘“
Christa Hubrig, Peter Herrmann: „Lösungen in der Schule – Systemisches Denken in Unterricht, Beratung und Schulentwicklung“
Johannes Schwehm: „Systemisch unterrichten – Fachunterricht prozessorientiert gestalten“