Staat trifft Mensch – Söder wird im TV-Duell vom Kontrahenten mehr angegangen als diesem lieb ist

Bayern wählt. Bayern lehnt sich zurück, um Söder und den Herausforderer Hartmann von den Grünen im TV-Duell zu begutachten. Der Moderator, eher ein Zeitwächter, bekommt trotz passender Fragen nur mühsam einen Fuß zwischen die beiden Kontrahenten.


Söder, bemüht um einen souveränen Habitus, spricht eher nur zum Moderator, hält mit diesem Augenkontakt statt den Zuschauer im Blick zu haben, um den es aber eigentlich gehen sollte. Söder steht ruhig, die Hände auf seinem Pult abgelegt, als könnte ihn nichts erschüttern. Kein Anzeichen von Aufregung ob der für die CSU doch sehr schlechten Umfrageergebnisse. Er ist eben Profi. Seine sonore Stimme, die elegant gewundenen Worte, der leicht zur Seite geneigte Kopf können den Eindruck von einer in sich ruhenden Haltung erwecken. Der manchmal leicht nach unten gerichtete Kopf könnte ehrerbietig wirken, wenn da nicht der subtil lauernde Blick nach Links zum grünen Kontrahenten wäre.


Dieser lässt mit einer angriffslustigen Grätsche auch nicht lange auf sich warten. Er unterbricht Söder selbstbewusst und rhetorisch sicher, wenn auch stellenweise sehr aufgeregt.


Hartmann geht gleich in die Offensive, spürt er doch offensichtlich den starken Rückenwind besagter Umfrageergebnisse. Auch er steht aufrecht, aber mit klarem und sicheren Augenkontakt jeweils auf denjenigen bezogen zu dem er spricht. Mal ist es der Moderator, mal ist es Ministerpräsident. Bewegt er sich, während die Worte fast schon ungestüm, ungeschminkt aus ihm heraussprudeln, doch mit seinem ganzen Körper. Die Gestik, recht lebendig, unterstreicht das, was er sagt. Er blickt seinem Gegenüber direkt in die Augen und scheut nicht den unmittelbaren Kontakt.


Schaltet man den politischen Ton des TV-Duells ab, schaut man den beiden Kontrahenten sozusagen auf den Leib, zeigt sich eine interessante Entwicklung. Söder, anfangs selbstsicher in einer präsidial wirkenden Haltung fest im Boden verwurzelt, verliert zunehmend und subtil die Contenance ohne dabei seine äußere Haltung aufzugeben. Hartmanns ständige Unterbrechungen, verbunden mit enthusiastisch vorgetragenem Kontern scheinen beinah unsichtbar Söder unter die Haut zu gehen. Je länger das Duell dauert, desto stärker bemüht sich Söder Hartmann durch anfangs noch leichte, dann aber heftige Seitenhiebe vom Leib zu halten. Dies gelingt ihm aber nicht. Hartmann lässt mit seinen rhetorisch authentisch wirkenden Attacken nicht locker, bis sich Söder schließlich fast zu verteidigen scheint.


Hartmanns Verhalten wirkt eher dadurch authentisch, dass er zu seiner Unbekümmertheit, gepaart mit einem nicht zu verbergenden Enthusiasmus, steht. Seine nicht zu übersehende innere Aufregung stört dabei weder seine Argumentation, seine rhetorische Selbst-Behauptung noch seine Versprecher, die er ein wenig unbeholfen wirkend, doch schnell zu meistern weiß.


Söder mimt durch seinen staatlichen Habitus ganz den Landeschef. Hartmann zeigt sich als er selbst und als Fürsprecher der Menschen. Während Söder Mantra artig betont, dass er ganz Bayern meinen würde, beklagt Hartmann die „Narben im Gesicht Bayerns“. Söder kenne die Zahlen, lässt er die Zuschauer wissen, ohne dabei den Eindruck eines Oberlehrers kaschieren zu können. Indem er seinen Kontrahenten abkanzelt, meint er besonders punkten zu können. Hartmann hingegen appelliert an die politische Verantwortung gerade auch den eigenen Enkeln gegenüber.


Spätestens jetzt wird deutlich, wer wen vor laufender Kamera vertritt: Söder den Staat, Hartmann die Menschen. Während Söder immer wieder den Staat und Bayern als Ganzes herbeizitiert und dies durch „Ich-Aussagen“ zu unterstreichen betont („….die Verspargelung, die ICH nicht will…“ oder „…ICH habe es gemacht…“) berichtet Hartmann von der Begegnung mit Menschen, die ihm während des Wahlkampfs begegnet sind, und deren Bedürfnissen („…wichtig ist, was den Menschen was bringt..“, „…die Menschen wollen…“).


Söder will Bayern erhalten durch Ordnung, Kontinuität von dem, was ist, durch Kontrolle und Glorifizierung des Freistaats. Er verkörpert dies selbst körpersprachlich überzeugend, erinnert man sich an seine schulmeisterliche Ermahnung Hartmann gegenüber.


Hartmann hingegen will Bayern und seine Menschen ansprechen. Er versteht sich selbst als moderner Bayer, der christlichen Werten verpflichtet, aber streng zwischen Kirche und Staat trennen will. Er verkörpert eine neues Bild von Politiker: ungestüm, persönlich engagiert, politisch anpackend, könnte aber gerade hierdurch auch über sich selbst stolpern.


Ein Bayern stehen nicht nur CSU und / oder Die Grünen zur Wahl. Hartmann erhebt keinen Anspruch auf den Ministerpräsidentenposten. Söder kann sich trotz oberlehrerhafter Attitude vorstellen mit Hartmann wo auch immer in Bayern spazieren zu gehen. Vielmehr wird es darum gehen, wer mit seiner Haltung, glaubwürdig vor allem die Herzen der Menschen in Bayern erreicht. Ist es der Vertreter des Staats oder ist es der Vertreter der Menschen?