„Schau mir in die Augen, Kleines...“

Jüngste Studien zur Körpersprache, zum Ausdruck des Körpers räumen mit einer weit verbreiteten Meinung auf, dass man dem anderen im Gesicht die jeweilige Stimmungslage, die jeweils persönliche intensive Emotion, ablesen könne.


Der Gesichtsausdruck, die Emotionalität der Mimik, ist, so die Forscher in „Science“ allein nicht aussagekräftig. Eine verlässliche Einschätzung des starken emotionalen Ausdrucks des Gesichts kann nur in Verbindung mit dem Ausdruck des Körpers insgesamt vorgenommen werden. Würde man dennoch eine solche Einschätzung vornehmen, würde dies einer Überschätzung gleichkommen.


Mich überraschen diese Ergebnisse nicht, weil man in der Regel sich sowieso eher durch den Gesamteindruck des Gegenübers ansprechen oder abschrecken lässt. Auch wenn man „nur“ ins Gesicht schaut, nimmt man durch die periphere Wahrnehmung sowieso mehr als nur ein kleines Detail im mimischen Ausdruck wahr. Auch wenn Humphrey Bogart im Film „Casablanca“ die Dame seines Herzens durch den Blick in die Augen gewinnen will, so tut er dies unbewusst, indem er sich auch von dem figürlichen, habituellen Charme des nonverbalen Ausdrucks besagter Dame anmuten lässt.


Die Ergebnisse räumen mit der Bedeutung des so populären, fotografischen Körperlesens auf. Behauptet dieses doch, dass man an den Bewegungen einzelner Gesichtsmuskeln den jeweiligen intensiven Gemütszustand der Person direkt und unmissverständlich ablesen könne. Die Forscher der Studie widersprechen einem solchen fotografischen Körperlesen dadurch, dass sie die Schwierigkeit unterstreichen und wissenschaftlich belegen, nämlich eine positive oder negative starke Emotion im mimischen Ausdruck (ohne Berücksichtigung des körperlichen Ausdrucks) unterscheiden zu können. Die Gesichtsmuskeln sind hierfür nicht ausgelegt.


Die Ergebnisse der Studie werden gestützt durch Erkenntnisse aus der Bewegungsforschung. Belegt diese doch, dass der Bewegungsausdruck eines Menschen insgesamt ähnlich differenziert, unterschiedlich und einzigartig ist, wie der Fingerabdruck eines Menschen.


Führt man sich vor Augen, dass Bewegung immer Bewegung in einem Raum, Aneignung eines Raums darstellt, ist vielleicht eher nachvollziehbar, wie wichtig gerade auch die kontextuelle Betrachtung von Körpersprache ist.


http://www.sciencemag.org/content/338/6111/1225


http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/mimik-gesichtsausdruck-taeuscht-bei-intensiven-gefuehlen-a-870223.html