Zwiegespräche

"Wir leben in Beziehungen. Aber die Beziehung leben wir nicht. Auch wenn sie uns das Leben bedeutet. Das jedoch ist kein Schicksal. Wir machen ja unsere Beziehung selbst. In tausend kleinsten Handlungen Tag für Tag. Wir schieben uns wechselseitig die Schuld zu. Das ist die Illusion, die uns entlasten soll. Wir irren uns. Was ist zu tun? Wir müssen zu unserer Beziehung Beziehung gewinnen. Wie? Indem wir uns bewusst vornehmen, was im verplanten Alltag verloren geht: wesentlich miteinander über uns zu sprechen." (Michael Lukas Moeller: Die Wahrheit beginnt zu zweit, Rowohlt Verlag)


Heute ist Zwiegesprächstag. Vor einigen Jahren haben mein Mann und ich über Freunde von den Zwiegesprächen gehört, die diese Freunde damals bereits seit einigen Jahren erfolgreich praktizierten. Sie schenkten uns das oben genannte Buch von Michael L. Moeller, dem Vater der Zwiegespräche, und wir begannen uns langsam vorzutasten - der formale Rahmen ist einfach: nur von sich selber sprechen, keine Fragen, keine Ratschläge. Das Ganze verpackt in 90 Minuten Gesprächsdauer pro Woche, jeder Partner hat jeweils 15 Minuten im Wechsel Zeit, über das, was ihn bewegt, zu sprechen (oder zu schweigen). Das klingt einfach, ist es natürlich nicht und vor allem: Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es! Wir bemühen uns redlich, die empfohlene Regelmäßigkeit einzuhalten, damit der "unbewusste rote Faden" erhalten bleibt, aber was gibt es da nicht alles für Verlockungen: Auswärtstermine, Einladungen, Unlustgefühle, Müdigkeit ... die Liste ist endlos! Schaffen wir es trotz dieser Widrigkeiten über einen längeren Zeitraum, am verabredeten Tag die Zwiegespräche zu führen, so ist der Lohn allerdings groß und wir beschließen von neuem, uns von nun an regelmäßig zu den Zwiegesprächen zusammen zu finden...


Dass die Zwiegespräche nicht nur auf Liebes- und ähnliche Paare beschränkt sind, davon erzählte mir neulich meine Freundin: Sie trifft sich in größeren Abständen mit ihrem Kollegen, mit dem sie Aufstellungsgruppen leitet, zu Zwiegesprächen. Auf diese Weise schwingen sich beide auf ihre gemeinsame Aufstellungsarbeit ein - zum Wohle ihrer Beziehung und ihrer Klienten.


Für meine berufliche Arbeit, aber auch für mich persönlich, finde ich das Buch von Otto Brink "Wie Offenheit die Liebe stärkt" (Herder Spektrum) hilfreich, hier stellt er die Zwiegespräche und das Familienstellen als sich ergänzende Vorgehensweisen vor. Die Zwiegespräche beziehen sich auf die biografische Ebene, auf Selbstverantwortung und Lebensgestaltung. Das Familienstellen wird dann ratsam, wenn Verstrickungen aus dem Familiensystem die Bemühungen um diese Selbstverantwortung und Lebensgestaltung behindern oder belasten.


Soll ich Ihnen zum Schluss noch etwas verraten? Das heutige Zwiegespräch mit meinem Mann fällt (mit seinem Einverständnis) leider der systemischen Kehrwoche zum Opfer, in der ich unbedingt über Zwiegespräche schreiben wollte...