Zum "Manifest gegen Arbeit"

Wenn ich das Manifest lese, so fühle ich mich hin und her gerissen. Zum einen stehen da viele Punkte drin, denen ich spontan zustimme, zum anderen finde ich aber auch vieles "daneben".


Ohne jetzt auf Details eingehen zu können (und zu wollen), ein paar mir wichtig erscheinende Aspekte:


Die Diagnose einer Krise des gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystems scheint mir berechtigt. Allerdings scheint mir der von den Autoren geforderte "Krieg" gegen die bestehende Ordnung nicht wirklich eine Lösung zur Lösung der Probleme. An die "Kraft", die sie aus "der Negation" zu schöpfen hoffen, mag ich nicht recht glauben. Kriege haben leider immer nur einen solidarisierenden Effekt, solange man den zu bekämpfenden Feind vor Augen hat. Wenn der - die bestehende Ordnung - dann "vernichtet" ist, weiss man nicht, was man tun soll, und erfahrungsgemäß stellen sich dann die Fragen nach den Alternativen, die man vorher nicht beantwortet hat.


Was mir missfällt und mich dem Manifest gegenüber sehr misstrauisch macht, ist der quasi religiöse, kämpferische Ton. Wo von "Götzen" geredet wird, glaubt man meist an "richtige" Götter.


Was mir gefällt, ist die Kritik und Infragestellung des Arbeitsbegriffs und das Ziel einer "Kultur der Muße". Beides scheint auch mir miteinander gekoppelt. Doch, um solch eine Kultur wahrscheinlicher zu machen, bedarf es meines Erachtens weniger der Agitation als der Analyse - genauer gesagt: der systemtheoretischen Analyse. Welche Systemlogik führt dazu, dass Arbeit so definiert wird, wie sie definiert wird? Wie ist zu erklären, dass Geld das zentrale, aller anderen Medien dominierenden Kommunikationsmedium geworden ist? Welche Dynamik führt dazu dass sich der Wirtschaft als sozialem Subsystem der Weltgesellschaft (fast) alle anderen Subsysteme - vor allem die Politik - unterordnen? usw.


Mir scheint in dem Manifest ziemlich viel alter Wein aufgekocht zu sein (und Wein sollte man ja eh nicht kochen) und wenig geboten, das über die alte Rechts-links-Unterscheidung, die aus systemtheoretischer Sicht obsolet ist, hinaus führt. Insofern scheint mir das Ganze auch als Ausdruck der Hilf- und Ratlosigkeit. Geld und Eigentum abzuschaffen und Räte einzusetzen (und ähnliche Ideen scheinen mit doch ein wenig naiv). Aber genauer hinzuschauen und dazu ein systemtheoretisches Analyse-Instrumentarium zu verwenden, wäre schon der Mühe wert.


Das Thema Arbeit kann nicht aus dem der Wirtschaft und ihrer Ordnung gelöst werden. Vor allem kann es nicht von der Frage danach, wie wir eigentlich leben wollen, getrennt werden. Wir heißt: jeder Einzelne für sich und wir alle zusammen. Denn beides bestimmt die Organisation der "herrschenden Ordnung".


Frau Taraba danke ich hier noch einmal ausdrücklich, dass sie sich die Arbeit gemacht hat, das Manifest ins Netz zu stellen und es zu kommentieren.


Ich finde, wir sollten am Thema Arbeit/Wirtschaft dran bleiben. Denn es wird in den nächsten Jahren das zentrale Problem sein, mit dem sich früher oder später eh jeder beschäftigen muss.