Zum Älterwerden, A /D, hohem Alter und Tod

Ich hatte leider keine Zeit mehr früher einen Kommentar zu den Kommentaren von Frau Mertens, Herr Isermann und FBS (zu FBSimons Beitrag vom 27. Mai 08 (Frau von der Leyen und Ernst Albrecht)) zu schreiben:


Im zutreffenden Fall stimme ich mit Loki Schmidt überein, dass es eine Gnade ist, wenn man manches, was einem im höheren und hohen Alter widerfahren KANN, nicht bewusst miterleben müssen muss....Es tut mir leid, wenn ich Ihnen in Ihrer Wehmut zu nahe getreten bin Frau Mertens, aber ich bin überzeugt davon, dass wir definitiv etwas mit der Wahl unserer Krankheiten und wie sich unser Alter gestaltet, zu tun haben, indem wir bewusst und unbewusst auf etwas Bestimmtes fokussieren. Dies sorgfältig zu beobachten und notfalls abzustellen, bedeutet das Schicksal zu gestalten.


Loki und Helmut Schmidt sind zwar geistig sehr beweglich, aber soviel ich kürzlich aus einem Kabarett über die beiden heraushörte bzw. heraussah - physisch nicht so sehr: Sie sitzen den ganzen Tag im Sessel, lähmen einander, quasseln und rauchen - wurde da jedenfalls unterstellt.... aus welcher intimen Einsicht heraus hier fabuliert wurde entzieht sich meinem Wissen.


Wie dem auch sei, ich habe mich ziemlich befremdet gefühlt als Simone de Beauvoir damals ihr wehleidiges, superrealistisches Buch „Das Alter“ herausgab und damit die gesellschaftliche Übereinkunft über die Tristesse des Alters um ein weiteres gewichtiges Wort gefestigt hat.


Die Malaise liegt zunächst im Jugendwahn, nämlich zu wähnen, dass es einen selbst schon nicht treffen wird. Damit auch in der unbewussten narzistischen Kränkung, die der oft beschriebene „Skandal des Alters und des Todes“ für den Menschen und seine Angehörigen darstellt und damit seine notwendige Verdrängung, so lange es nur irgend geht. Man verleugnet und stellt sich der Herausforderung nicht bewusst, sondern hofft schon irgendwie davon zu kommen. Solange man sich nicht selbst betroffen fühlt, (da auch Alter und Tod immer nur den anderen passieren) , werden wir mit scheelem Blick aus den Augenwinkeln gucken, wie es den Alten wohl gehen mag und mit Entsetzen den Kopf in den Sand stecken, wenn wir sehen oder hören, dass es nicht „angenehm“ sondern sogar „unangenehm“ und „mühsam“ sein soll. Und darüber dann bereitwillig zu plaudern sind all diejenigen bereit, die es nun erwischt hat, die die Herausforderung nicht rechtzeitig angenommen haben, weil es ihnen zu mühsam war, sich darauf vorzubereiten. (Auch in der Jugend war übrigens manches extrem „mühsam.“)


Derlei bei Simone de Beauvoir zu lesen, hat mich befremdet, weil ich mir unter Würde vorstellte, dass man als Betroffener vor allem eben nicht darüber spricht, ob das Alter „angenehm“ oder „unangenehm“ oder „mühsam“ ist. Das Alter ist wie es ist. Für jeden ist es anders! Je nach persönlicher Haltung und körperlicher und geistiger Auffassung. Dazu gibt es zunehmend interessante wissenschaftliche Untersuchungen.


Die große Würde z. B. meiner Mutter bestand übrigens darin, dass sie darauf verzichtet hat, darüber Bericht zu erstatten, da es sowieso evident war, wie sie fühlte und dachte, besonders wenn man sie anders erlebt hatte und auch sie sich daran erinnern konnte.


Es gibt aber auch sehr alte Menschen, die sich des Lebens bei gutem geistigen und körperlichen Vermögen und Zustand erfreuen, jedenfalls diesen Eindruck erwecken und damit in jede Richtung ein erfreuliches Feed back erzeugen. Die also keine „Pflegefälle“ wurden. Warum? Weil sie möglicherweise die Demut haben, das Älterwerden zu akzeptieren, sich ihm (nur so weit dies unbedingt notwendig ist!) anzupassen und aus dem gerade Vorgefundenen immer das Beste machen?


Ich persönlich rede mit Bedacht weder „Negatives“ noch „Positives“ über das Alter.


Da sich das Alter, (dank geänderter Aufmerksamkeitshaltung und interdisziplinärer performativer (Sprech-)Akte in den individuellen und fachlichen Diskursen) in den letzten hundert Jahren stark verändert hat, und relative Gesundheit deshalb heute sehr weit hinausgezögert werden KANN, und dies sich weiter entwickeln wird, will ich, was mein ganz persönliches Alter betrifft (anderes kann ich nicht wollen, - aber nahe legen) und - soweit das in meiner Möglichkeit liegt - , darauf konstruktiv Einfluss nehmen, und mir aus dem Leben möglichst lange Freude machen, ohne das Leid anderer dabei zu übersehen.


Meine offensichtliche Frivolität dabei scheint darin zu liegen, dass ich denke, darauf Einfluss nehmen zu können, woran viele nicht so recht glauben wollen. Ich denke einfach so. Dieses Selbstexperiment mach ich selbstredend gerne und mit Neugier, und erst recht, um den herbeiprognostizierten „Pflegefällen“ und dem geweissagten „Pflegenotstand“ persönlich kein Argument zuzuliefern, ihm nicht das Wort zu reden. Dazu gehört in jedem Fall Lebensmut. - und ich werde es dann ja selbst sehen oder nicht sehen!


Ich argumentiere ausschließlich bezüglich der möglichen Einflussnahme in dieser heiklen Angelegenheit des Sich-Befindens und Da-Seins und zwar durch Wort und Tat. Der physische Tod an sich, was immer das Wort in Wirklichkeit bedeuten mag, ist eine notwendige Regel in dem Spiel, die für mich durch und durch plausibel ist.


Um zu beginnen sich geistig und körperlich zu bewegen und sich lieber eher karg zu ernähren ist es nie zu spät. Man sollte es übrigens maßvoll beginnen und dann maßvoll betreiben, das heißt jeweils nur innerhalb der individuellen Fähigkeiten an die eigenen Grenzen gehen. Sich nie mit anderen vergleichen, also nur mit maßvollen Steigerungen usw. wobei es optimal wäre, schon beim allmählichen Älterwerden damit angefangen zu haben, rundherum Vertrauen, Zuversicht, Freude und Freundlichkeit auszustrahlen und In-Beziehung zu bleiben. Das wird das Geheimnis schlechthin sein. Das werden manche Leute nicht glauben wollen, beweisen tuns die mindestens 50% der Nicht-Pflegefälle. By the way: genau an dieser Stelle eine Art schelmenhaftes Lächeln für den elitären Herrn Liebscht und alle, die sich gewundert haben, wann ich denn nun herausfinde aus dem Ärgernis, mit dem Herrn Liebscht, und seinen grenzenlosen Obsessionen. Verreisen macht’s möglich. Ich passe mich der Einsicht an und erforsche das Ignorieren. Eine gute Übung hinsichtlich all des oben Besprochenen. Aber nicht die Regeln selbst, z.B. das Älterwerden, muss man ignorieren, sondern das, was darüber gemeinhin behauptet wird. Man muss selbst ausprobieren, welche Alternativen man erfolgreich verwerfen kann und welchen Notwendigkeiten man sich beugen muss.