Zettelkasten der Nation

Als Spiegel der Zeitgeschichte begeleitete mich selbiger die vergangene Woche und tut es das auch diese. In Marbarch, so lese ich, sei das Literaturmuseum der Moderne eröffnet worden. „Kurioses und Bescheidenes, Papier zumeist“, steht da. Kultur, die sich selbst wieder findet. Überreste, die auf „sonderbare“ Weise erzählen. Und wer kluge Einfälle hat, neugierig ist und Lust zur Sprache hat, der wird veröffentlicht. Kafka, Gottfried Benn und Thomas Mann und Briefe Hermann Hesses, die nicht vor 2017 zu öffnen sind. Wo sind die Frauen, frage ich mich und finde sie nicht. Aber ich finde im Angesicht des Spiegels Alice – nein nicht im Wunderland, obwohl man sich das auch ab und an fragen könnte, ob man denn nicht in selbigen sei. Alice Schwarzer lässt sich aus über die kinderarme Gesellschaft und die Emanzipation. „Panik im Patriarchat“ – na endlich. Wirklich?


Die Frauen verweigern, sind in Gebärstreik gegangen. Frauen wollen nicht mehr nur Kinder und Küche, sie wollen auch Karriere. Im Wunderland befinde ich mich immer dann, wenn ich die Diskussionen zum Thema verfolge. Frauen bekommt Kinder – die Renten müssen gesichert werden, das deutsche Volk stirbt aus. Frauen bekommt Kinder – Betreuungsangebote werden geschaffen, Geld fließt und die Väter bleiben zuhause. Politische Anreize sollen für mehr empfängnisbereiten Spaß im Schlafzimmer sorgen.


Doch mal ehrlich: welche Frau bekommt denn deswegen ein Kind? Vielleicht auch deswegen, aber nicht ausschließlich.

Das erschreckende an dieser Diskussion ist aber, dass die Frau als solche überhaupt nicht ernst genommen wird. Die Frau mit ihren Wünschen, Ängsten, Träumen und Nöten. Und nicht nur Männer nehmen Frauen da nicht ernst; auch Frauen untereinander kratzen da an den Augen. In Diskussionen reden sich Frauen gegenseitig den jeweiligen Lebensentwurf schlecht. Nicht offen, sondern versteckt. Die Politikerin, die Kinder kriegt und trotzdem weiter arbeiten will hat ebenso schlechte Karten wie die Mutter, die zuhause bleiben will. Ganz zu schwiegen von der Frau ohne Kinder, der irgendwann bestimmt etwas fehlen wird, so ganz ohne Kinder.


Und was machen die Männer? Die nutzen die Diskussion für sich – wie es im Patriarchat so üblich ist und immer war. Besetzen immer noch sämtliche Chefsessel, ziehen sich aus der Affäre, wenn´s eng wird im Kinderzimmer. Da sind wir dann wieder bei den Literaten der Nation. Thomas Mann, so liest man in der Biographie über seine Frau Katja, zog es zu Jünglingen, aber nicht zu den eigenen. Und Hermann Hesse vergrub sich, auch das ist nachzulesen, in seinem Schreibzimmer oder reiste gleich weiter weg in Kur um vom anstrengenden Leben mit Kindern Abstand zu bekommen. Ihre Werke sind gelungen und vielleicht für so manche Frau dann eine Erholung nach einem langen Tag im Angesicht des persönlichen Beitrags zur demoskopischen Krise.