Wunder

An jeder zweiten Strasse findet man in Neapel einen Schrein. Ein Bild von Maria, mit oder ohne Kind, Kerzen, viele Blumen. Da diese Altäre meist ziemlich hoch an den Hauswänden befestigt sind, fragt man sich, wie die frischen Blumen da hinkommen. Alte Mütterchen, die Berge besteigen?


Offensichtlich ist, dass man hier viel investiert, um vom Himmel seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Neapolitaner glauben - so habe ich gehört - nicht daran, dass sie aus eigener Kraft irgendeine Chance haben, ihr Leben oder ihre Lebensbedingungen zu verändern. Die einzige realistische Möglichkeit, die sie sehen, ist das Wunder.


Da die Zukunft nicht vorhersehbar ist, und ohne den Glauben an Wunder das Leben manchmal nicht erträglich wäre, wird hier auf eine Art von Realitätsprinzip gesetzt, das dem üblichen Verständnis zuwider läuft, aber trotzdem - oder gerade deswegen - zu empfehlen ist.


Es wird, und das gehört in dieselbe Kategorie von Zukunftsorientierung, auch viel Lotto gespielt. An jeder Ecke ein Laden, in dem das möglich ist.