Wort und Unwort

Wie kurz vor Weihnachten bekannt wurde, ist das Wort „Fanmeile“ zum Wort des Jahres gekürt worden. Die „Generation Praktikum“ hat es leider nur auf den zweiten Platz gebracht. Wie im richtigen Leben. Die Wörter des Jahres werden jeweils von der Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden ausgesucht bzw. von einer Jury, die aus Vorstand und Mitarbeitern der Gesellschaft besteht. „Ausgewählt werden Wörter und Ausdrücke, die die öffentliche Diskussion des betreffenden Jahres besonders bestimmt haben, die für wichtige Themen stehen oder sonst als charakteristisch erscheinen“, heißt es auf der website der GfDS. Außer diesen beiden Wörtern kamen den Juroren noch „Karikaturenstreit“, „Rechtschreibfrieden“, „Prekariat“, „Bezahlstudium“, „Problembär“, „Poloniumspuren“, „Klinsmänner“ und „schwarz-rot-geil!“ als bestimmend, wichtig und charakteristisch in den Sinn. Fragen Sie mich nicht, warum. Aber da es dabei nicht um Worthäufigkeiten gehe und mit der Auswahl auch keine Wertung bzw. Empfehlung verbunden sei, wäre das vielleicht auch eine falsche Frage. Vielleicht handelt es sich nur um den immerhin immer wieder erfolgreichen Versuch der Gesellschaft, selbst kurz vor Weihnachten noch einmal in allen wortgebrauchenden Medien Erwähnung zu finden. Und da käme es ja schlecht rüber, wenn man z.B. „Gesellschaft für Deutsche Sprache“ zum Wort des Jahres küren würde.


Bis 1994 hat die Gesellschaft auch das „Unwort des Jahres“ (selbst übrigens auch ein schöner Kandidat für das Unwort des Jahres) gekürt, sozusagen um die andere Seite der Unterscheidung zu markieren. 1993 hatte die Jury nämlich das falsche Wort zum Unwort des Jahres erklärt: das Kohlwort vom „kollektiven Freizeitpark“. Das hat dem Kanzler nicht gefallen, der das auch dem Vorstand der Gesellschaft mitgeteilt hat. Dem Vorstand hat das dann auch nicht mehr gefallen, obwohl mit der Auswahl wahrscheinlich keine Wertung bzw. Empfehlung verbunden war. Daraufhin hat sich die Jury 1994 als »Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres« selbständig gemacht. Seitdem gibt es zwei Wörter pro Jahr, ein Wort und ein Unwort.


Das Unwort des Jahres 2006 ist aber noch nicht ermittelt worden. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, Vorschläge zu machen. Da

ich gestern schon an dieser Stelle mein Merkel-Foto des Jahres gewählt habe, möchte ich heute ganz unerschrocken „Fanmeile“ für das Unwort des Jahres vorschlagen. Erstens schließt es auf ganz gut an den „kollektiven Freizeitpark“ von 1993 an. Zweitens hätten wir eine ideale Möglichkeit, die Differenz von Wort und Unwort, die ja ohnehin etwas gezwungenes an sich hat, wieder aufzuheben, gewissermaßen für ein Re-Entry der Sprache in die Sprache zu sorgen und einen Konflikt von 1994 beizulegen. Allerdings hätten wir dann auch nur noch die Hälfte der Jury-Plätze zu vergeben. Oder: wir wählen noch andere Dinge und bräuchten wieder dementsprechend viele Jury-Mitglieder. In Frage käme beispielsweise die Sprache des Jahres (Vorschlag der GfDS: die Deutsche Sprache natürlich) oder die Deklination des Jahres oder der Artikel des Jahres oder das Satzzeichen des Jahres oder … Aber jetzt mal ich mal‘n Punkt.