World Café: Gespräche, die bewegen (2)

Mein erstes Interesse galt mehr dem World Café Prozess und weniger dem Inhalt der Tagung: Inviting Innovation. Innovation einladen. Aha.


Als Psychologe konnte ich dieses Thema zunächst nicht in Verbindung mit meiner eigenen Arbeit bringen, weil ich mich ja mit menschlicher Entwicklung und nicht mit technologischer Innovation beschäftige. Neue Autos. Neue Computer. Eine weitere vorweihnachtliche Revolution im Bereich der Rasierapparate.


Meine anfängliche Arroganz hat sich gelegt, als ich dem vorläufigen Programm die Eingangsfrage für das Innovationsthema entnahm: Welche Bedingungen sind geeignet, um Innovationen herbeizuführen – auf individueller Ebene ebenso wie in Teams und in Organisationen? So gesehen wurde das Thema für mich persönlich interessant: Welches sind die menschlichen Voraussetzungen für Innovation?


In den Gesprächen mit Jeff und Pat wurde sehr schnell deutlich, dass es genau um diese Schnittstelle gehen soll: Innovation als wirtschaftliches Argument für den Standort Europa einerseits, die inneren Voraussetzungen für technologische und andere Innovationen andererseits. Ein weiter Rahmen, so weit, dass diese Frage ihre Arbeit in mir aufgenommen hat. Wie wird Kreativität zur Innovation? Welches sind Voraussetzungen für Kreativität? Ich war plötzlich sehr persönlich von einem Thema angesprochen, das ich zunächst gar nicht mit mir in Verbindung gebracht hatte.


Lassen Sie mich einen Moment bei dieser Erfahrung verweilen. Aus der zeitlichen Distanz von einigen Monaten finde ich es bemerkenswert, wie groß der Abstand zwischen menschlicher Entwicklung und Innovation für mich war. In den letzten Monaten habe ich in Gesprächen, in denen ich über die World Café Tagung gesprochen habe, ähnliche Reaktionen bei vielen der Gesprächspartnern bemerkt: Als ob Menschen und Innovationen unterschiedlichen Kulturen angehören würden. Jedenfalls scheint die Verbindung zwischen diesen Welten alles andere als selbstverständlich zu sein. Welche Kluft gilt es hier zu überbrücken?


Ich denke dabei an das Quadrantenmodell und den integralen Ansatz von Ken Wilber (als Einführung gut zu lesen: Ken Wilber (2001) Ganzheitlich Handeln. Oder die Essentials auf der Website des deutschen Integralen Forums: [Integrales Forum] (http://if.integralesforum.org/LESESAAL.34.0.html). Innovation scheint dem Bereich der objektiv erfassbaren Außenwelt anzugehören, menschliche Entwicklung dagegen der von außen unsichtbaren und nur subjektiv erfahrbaren Innenwelt. Die jeweils zugehörigen Erkenntniswege, Natur- und Systemwissenschaften einerseits, Hermeneutik und Phänomenologie andererseits, haben untereinander ja so gut wie nichts miteinander zu tun. Eigene Zeitschriften, eigene Sprachen, eigene Welten, unterschiedliche Kulturen. Hat der innere Abstand, den für mich menschliche Entwicklung einerseits und Innovation andererseits eingenommen hatten, mit diesen unterschiedlichen Kulturen zu tun? Sicher hat mein ironischer Ton, mit dem ich mich über Technologie geäußert habe, etwas mit den durchaus leidvollen eigenen Erfahrungen zu tun, zwischen diesen unterschiedlichen Welten zerrissen zu sein. In der klinisch-psychologischen Forschung werden tiefenpsychologische Hermeneutik und Phänomenologie fast schon der Esoterik zugerechnet. In der Zen-Meditation (praktische Phänomenologie) bin ich großer Skepsis gegenüber der Psychotherapie begegnet. In einem Forschungsprojekt zur Evaluation von Körperpsychotherapie hatten wir nicht unerhebliche *Berührungs*ängste von Therapeuten gegenüber klassischer Forschung zu überwinden (Koemeda-Lutz et al. 2006, PPmP 56, 480-487).


Sollte World Café also den durchaus ambitionierten Ansatz verfolgen, diese unterschiedlichen Kulturen miteinander ins Gespräch bringen zu wollen? Ist World Café selbst eine integrale Technologie, die es ermöglicht, Menschen mit verschiedenen Perspektiven in gemeinsame Gespräche zu bringen, in denen sich die unterschiedlichen Perspektiven nicht bekämpfen, sondern gegenseitig ergänzen?


Persönliche Voraussetzungen für Innovation. Ich bin gespannt auf das Gathering Anfang Mai, dann werde ich erleben, welche Inhalte in der Diskussion von Innovation tatsächlich zur Sprache kommen. In mir hat die Beschäftigung mit diesem Thema bereits im Vorfeld Bewegung ausgelöst. Und ich war, noch immer ohne viel über World Café zu wissen, sehr neugierig auf Prozess und Inhalt dieses Projekt geworden.