World Café: Gespräche, die bewegen

Im vergangenen Herbst rief mich ein Kollege aus München an und meinte, in Dresden würde 2007 ein interessanter Kongress stattfinden. Die beiden Organisatoren würden mich gern kennen lernen. Der Kontakt kam telefonisch zustande. Ob wir uns nicht auf eine Tasse Tee treffen könnten, wenn sie das nächste Mal in Dresden seien? So bin ich Jeffrey Beeson und Patricia Munro begegnet, die dabei waren, in Dresden das erste europäische World Café Gathering vorzubereiten.


Wir haben uns nachmittags bei mir zuhause getroffen, um in Ruhe reden zu können. Ich kann mich nicht genau erinnern, über was wir gesprochen haben, aber es war ein bewegendes Gespräch. Als wir uns gegen Mitternacht verabschiedeten, hatte ich eine Einladung zu einem Vorbereitungstreffen vom 12. – 14.1.2007 in Dresden in der Tasche. An diesem Wochenende sollte sich das endgültige Gastgeberteam des Treffens bilden und die letzten Schritte der organisatorischen Planung und inhaltlichen Vorbereitung in Angriff genommen werden.


Was World Café nun genau ist war mir nach diesem ersten Gespräch noch nicht sehr deutlich geworden. Vielmehr hat mich diese erste Begegnung mit einer Reihe von Fragen zurückgelassen.


Was mich interessierte war eine außergewöhnliche Gelegenheit, ein neues Tagungsformat kennen zu lernen und mitzugestalten. Ich habe einige Jahre in der psychologischen Public Health Forschung gearbeitet und an zahlreichen wissenschaftlichen Tagungen als Teilnehmer oder Referent teilgenommen. Das zentrale Medium der Wissensvermittlung, oder neuhochdeutsch des Knowledge Managements, auf wissenschaftlichen Tagungen ist der Frontalvortrag. Einem Experten oder eine Expertin sitzen andere Experten und Expertinnen gegenüber. Das Wissen soll von einigen wenigen Köpfen in möglichst viele andere Köpfe transferiert werden. Bei Plenarveranstaltungen ist das Auditorium etwas größer, bei Workshops etwas kleiner. Die Grundannahme dieser Art der Veranstaltung liegt vermutlich darin, dass Wissen auf Tagungen zwar transportiert, aber nicht generiert wird. Schließlich stehen die Beitragenden ja in einem Verhältnis des mehr oder weniger begrenzten Wettbewerbs untereinander, so dass Vorsicht geboten ist, welche Art von Wissen mit wem unter welchen Bedingungen geteilt werden kann. In dieses große Bild passt auch die Beobachtung, dass Tagungen gewöhnlich nicht viel Raum für Dialoge bieten – Dialog als Gesprächsform im Sinne von David Bohm, bei dem es um Erkundung und Entdeckung unterschiedlicher Perspektiven geht, was aufmerksames Zuhören und das in die Schwebe bringen gewohnter und selbstverständlicher Annahmen einschließt. Damit will ich nicht gegen das Medium des Vortrags an sich polemisieren, aber ich möchte die Frage aufwerfen, ob der ausschließliche Einsatz dieses Vorgehens die menschliche Fähigkeit zur Kooperation und Kreativität angemessen würdigt?


Wenn ich über meine eigene Erfahrung mit Tagungen nachdenke, dann komme ich für mich in Bezug auf den klassischen Wissenstransfer unter dem Strich zu einer eher negativen Bilanz: Viel gelernt habe ich *während* einer Tagung meistens nicht (*vor* und *nach* einer Tagung dagegen schon). World Café scheint wie andere Großgruppenverfahren von der Annahme auszugehen, dass Gruppen von Menschen so etwas wie kollektive Intelligenz entwickeln, wenn man sie nur lässt, d.h. dafür geeignete Bedingungen herstellt. Wissen ist etwas, das zwischen Menschen entsteht. Eine Tagung könnte demnach eine Gelegenheit sein, Wissen und Erfahrungen nicht nur auszutauschen, sondern neues Wissen zu generieren. Kreative Kooperation anstatt oder trotz Konkurrenz. Welche Rahmenbedingungen laden Menschen zu Gesprächen, die bewegen, ein? Bewegen kann ganz banal die physische Bewegung des eigenen Körpers während des Gesprächs meinen, während man sich von Tisch zu Tisch bewegt, um sich mit anderen auszutauschen und Gedanken und Ideen zu vernetzen. Bewegen kann die innere Bewegung in Herz und Seele meinen, die ein gutes Gespräch bewirkt. Bewegen kann gemeinsame Handlung und Aktion meinen, die durch ein gutes Gespräch ausgelöst wird.


Könnte World Café demnach ein Kontext sein, der kollektives Träumen, Gestalten und Handeln fördert? Das European Gathering in Dresden soll den Tagungsteilnehmern im Laufe von drei Tagen eine direkte Erfahrung des World Café Vorgehens ermöglichen. Als Körperpsychotherapeut mit einer Ausbildung in der Hakomi-Methode bin ich es aus der Einzelarbeit gewohnt, erfahrungsorientiert zu arbeiten. Könnte World Café ein entsprechendes Verfahren für größere Gruppen von Menschen sein? Eine *erfahrungsorientierte Tagung*? Faszinierende Idee! Falls ja, wie werden in diesem Verfahren Erfahrungsorientierung und Zielorientierung balanciert? Am Ende soll ja was rauskommen. Aber was? Gute Gespräche geführt haben? Neue Leute kennen gelernt haben? Handfeste Ergebnisse?


Ich schreibe zum ersten Mal in einem Weblog dieser Art, und so bin ich auch den Verlauf der Beiträge und Kommentare sehr gespannt. Seit Herbst letzten Jahres haben sich einige dieser Fragen bereits geklärt, andere sind weiterhin offen und werden Anfang Mai in Dresden während des World Café Gatherings beantwortet werden, wieder andere werden mich über die Tagung hinaus begleiten und bewegen.


Fragen sind ein wesentliches Element im World Café Prozess, wie ich in den letzten Monaten gelernt habe. Dazu in den nächsten Tagen mehr.