Weiter-Nach-Denken über "Utopie"

Lieber Herr Todesco, Lieber Herr Simon, lieber Herr Liebscht,


ich weiß nicht, ob ich es hinkriege, Ihnen nun mein Utopie-Verständnis zu erklären, besonders Ihnen Herr Liebscht, der Sie verliebt mit dem Wolf tanzen.


Ihr Utopie-Verständnis Herr Simon, wie es systemtheoretisch formuliert werden könnte, steht irgendwie noch aus und es würde mich interessieren.


Herr Todescos Erklärungen, vermeine ich begriffen zu haben, worauf ich in den nächsten Tagen noch zurückkommen will, wenn es sich ergibt. Aber ich habe mit keinem Wort gelesen, wie Sie das LEBEN.


Bei Ihrer „Utopie“ Diskussion, also abgesehen von Etymologie und Thomas Morus, über den Nicht-Ort, bzw. den ungeschriebenen Ort, die ich, plus diverser Einwände, diskursiv schlüssig fand, ist mir auf- und wieder eingefallen, dass für mich Utopie zweierlei bedeutet:


Einerseits die gesellschaftliche Utopie (das mehr oder weniger gewaltsame Zwangsbeglücken Aller z.B. auf der Basis der Kritik bestehender gesellschaftlicher (Lohn)-Verhältnisse (Marx; MGDA)), demgegenüber die freiwillig aus Einsicht eingegangene individuelle Utopie auf der Basis der ökologischen, moderaten Nutzung der Ressourcen (Alternative; Aussteiger; ), und - andrerseits - die ganz persönliche Utopie inmitten des Wahrscheinlichen (das umfassende Gestalten des persönlichen täglichen Lebens)


Dies bedeutet einerseits den unmarked space, bzw unmarked state der Unterscheidung Ort/Nicht-Ort, persönlich markiert zu haben.


Andrerseits bedeutet die In-den-Blick-Nahme des Nicht(s) - also die utopisch-generierte Korrektur existierender Verhältnisse, dass die utopische, weil kreative und damit konstruktive Vision und die daraus resultierenden Handlungen schon bereits längst stattfinden: In der Gesellschaft und ihren (Funktions)-Systemen.


Kreuzen, das heißt kreatives Konstruieren, Kreativität. Sie findet ständig statt.


Wenn ich (und andere) an der markierten Seite der Unterscheidung (Ist-Zustand des Ortes) anschließe, können wir (gemeinsam) etwas sehr langsam entwickeln, indem wir sukzessive und kreativ in unsere Kommunikation neue oder differenziertere Unterscheidungen einführen und damit sukzessive neue Tatsachen setzen.


Wenn ich eben aber zum (noch) Unmarkierten kreuze (U-topie) und, durch den imaginären (!) Tunnel hindurch, diese andere Seite markiere, muss sie von mir (mir!) erst mal bezeichnet werden, um Tatsachen zu schaffen.


Ich habe vor ein paar Wochen hier auf die Frage von Herrn Todesco, (m)eine Utopie zu benennen, die Praxis von ZEN und Aikido genannt und begründet (etwa zwischen 18.Februar und 1. März).


Warum gerade das? Weil es das ist, das ich persönlich intuitiv angesichts der sich mir stellenden Fragen, gewählt habe, dessen ich mich fähig fühlte, um damit etwas Subtiles beizutragen, es dem Schnellen und Bedrohlichen entgegenzusetzen, dessen Praxis, sich auf die Gestaltung, Haltung und Führung meines persönlichen Lebens auswirkt. "Mehr" (!) kann und will ich (augenblicklich) persönlich nicht tun.


Es ist mein ganz persönliches individuelles, verantwortbares TUN des Unwahrscheinlichen angesichts des Wahrscheinlichen.


Absolut unmissionarisch - umso interessierter bin ich an anderen (konkreten, gelebten, markierten) Utopien!


Übrigens (Herr Liebscht): So wahrscheinlich das Wahrscheinliche auch kommen mag, und so sehr ich das, was ist, jederzeit akzeptiere, ich halte es dennoch für unwahrscheinlich, - weil ich dagegenhalte.


Ich verstehe unter “Utopie” in ihren für mich sehr gegenwärtigen Möglichkeiten: sie jetzt zu leben. So minimalistisch das sein mag, und so minimal die „Folgen" sein mögen. Aber Sie wissen ja, dass es laut "Chaos"-Theorie des Flügelschlages eines Schmetterlings bedarf, um Chaos zu erzeugen, warum soll nicht auch umgekehrt eine minimale Bewegung genügen, um Chaos abzuwenden?


Herzliche Grüße