Wege zum Glück

Letzte Woche kam die letzte Folge der deutschen Seifenoper „Bianca, Wege zum Glück“ im Schweizer Fernsehen. Viele Zuschauerinnen haben diese Wege verfolgt, obwohl es wenige zugaben. In der heutigen Pause fragte ich, wer die Sendung kennt. Die meisten waren informiert und gaben auch zu, sich noch andere Seifenopern zu Gemüte zu führen. In der letzten Folge fand die Traumhochzeit der Hauptpersonen statt, einige andere Paare haben sich ebenfalls gefunden. Ich bin der Meinung, dass eine Hochzeit zwar einen Übergang bildet, aber eigentlich erst der Anfang der Geschichte ist.


Heute Morgen kam ein Paar in die Therapie, beide gut gebildet und beruflich erfolgreich. Sie hatten bestimmt eine Märchenhochzeit. Sie haben einen 12 jährigen Sohn. Vor fünf Jahren waren sie schon einmal für ein paar Sitzungen gekommen. In den ersten zwei Sitzungen dieses Jahres war ich mir sehr unsicher, ob sie wieder zueinander finden würden. Sie berichteten, dass sie in der Zwischenzeit mit den Strategien, die wir damals erarbeitet hatten, im Grossen und Ganzen gut zurecht kamen bis vor ein paar Monaten. Der Sohn strebt immer mehr **Selbstständigkeit** an, und sie streiten sich häufig und heftig, meist vor dem Sohn. Er hat auch herausgefunden, wie er abwechslungsweise die Mutter oder den Vater auf seine Seite ziehen kann. Vorerst kamen vor allem die Unterschiede ihrer Auffassungen über Erziehung und Erziehungsziele zum Ausdruck: Der Vater ist **besorgt, ängstlich und streng**. Er möchte am liebsten den Fernseh- und Computerkonsum abstellen, das Lesen auf gute Literatur begrenzen, den Fussball verbieten und stattdessen Meditation oder Yoga einführen und das Verbringen der Freizeit mit Gleichaltrigen sehr einschränken. Die Mutter ist **nachgiebig, warmherzig**, erlaubt das Essen von Junk Food und insgesamt mehr als der Vater. Der Mann warf seiner Frau aufs heftigste vor, dass sie den Sohn ins Verderben stürze und die Frau dem Mann, dass er den Sohn durch seine Sturheit aus dem Haus, vielleicht gar in die Drogensucht treibe. Diese unterschiedlichen Lebenshaltungen, die sich natürlich auch in anderen Gebieten zeigten, bestanden seit Beginn der Partnerschaft.


In den ersten beiden Sitzungen finden sie heraus, was sie die letzten fünf Jahre gemacht haben, um ihre Partnerschaft lebendig zu halten. Zuerst wird klar, dass sie noch eine **tiefe Verbundenheit** und **Liebe** zueinander spüren. Beide sagen, dass sie einander lieben. Ich sage ihnen, dass die Liebe vorläufig verschüttet scheint, dass sie sie wieder finden müssen. Liebe sollte auch gepflegt werden. Dann erarbeiten sie die **Gemeinsamkeiten in ihrer Haltung** heraus. Sie einigen sich auf die folgenden gemeinsamen Erziehungsziele: Der Sohn soll Respekt vor den Mitmenschen haben und eine mündige, autonome Person werden. Sie werden die Verhaltensregeln, die auf diesen Zielen basieren, ohne Beisein des Sohnes festlegen und in diesen Diskussionen einander achten, nicht abwerten, da sie ja um die gemeinsamen Ziele wissen. Heute Morgen, vier Monate später, wirken beide entspannt, erzählen von gemeinsamen Unternehmungen und es fallen kaum mehr abwertende Bemerkungen. Es wird vereinbart, die Behandlung abzuschliessen.


Ich lebe selbst in einer Partnerschaft und in meiner Arbeit begegne ich natürlich vielen Spielarten von Partnerschaften. Immer wieder überlege ich mir, ob es Rezepte oder mindestens Grundessenzen einer glücklichen Partnerschaft gibt. Natürlich existieren bereits viele Ratgeber für eine gute Partnerschaft, für die Wege zum Glück. Einige Tipps, die aus Untersuchungen stammen, habe ich in unserem letztjährigen Jahresbericht zusammen gefasst. Natürlich muss jedes Paar den eigenen Weg finden. Die Grundprinzipien von Gottman finde ich für viele Paare hilfreich.

Gottman (2004) zählt sieben Prinzipien (im deutschen Buchtitel etwas ungünstig mit sieben „Geheimnisse“ übersetzt) der glücklichen Ehe auf:


1. Die Landkarte des Partners auf den neuesten Stand bringen.

2. Zuneigung und Bewunderung für einander pflegen.

3. Sich einander zu-, nicht abwenden.

4. Sich vom Partner beeinflussen lassen.

5. Lösbare Probleme lösen. Es gibt zwei Arten von Problemen, nämlich lösbare und unlösbare.

6. Überwinden von Pattsituationen, mit unlösbaren Problemen umgehen.

7. Einen gemeinsamen Sinn schaffen.


Für das oben genannte Paar waren die Punkte 2-6 hilfreich. Es war besonders wichtig, dass sie die Unterschiede in ihren Persönlichkeiten und Haltungen akzeptierten (6.), um nicht Kraft mit dem Versuch der Umerziehung des Partners zu verlieren und stattdessen die **Kraft im aufbauenden Sinn** zu nutzen.


Ein anderes Paar mit einer zwei jährigen Tochter, das wegen ihren tief greifenden Konflikten an eine Trennung, statt wie ursprünglich geplant an ein zweites Kind dachte, fand auch einen Weg, die **Gegensätze** zwischen ihnen zu **akzeptieren** und die Gemeinsamkeiten zu stärken. Dazu war für sie wichtig, dass sie „die Landkarte des Partners auf den neuesten Stand brachten“ (1.), einander gegenseitig über ihren Alltag informierten und Gedanken austauschten. Sie begannen auch, gemeinsame Zeit zu verbringen, ohne ununterbrochen miteinander etwas zu tun zu haben. Sie fanden beispielsweise heraus, dass es für sie gut war, neben einander die Zeitung zu lesen und zwischendurch scheinbar belanglose Bemerkungen zu machen.


Auch Bianca und ihr Mann mussten ihre Gegensätze akzeptieren Sie werden ihre Gemeinsamkeiten stärken und wohl im Laufe ihrer Ehe noch viele Herausforderungen meistern müssen. Vielleicht folgt ja bald eine Fortsetzung der Geschichte mit dem Titel: *Pride and Prejudice*?


Gottman, J.M. (2004). Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Berlin: Ullstein.