Warum Obama die US-Wahl gewinnt

Gestern hat Barack Obama vor 80.000 Zuhörern in einem Stadion in Denver eine Rede gehalten, um die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskanditat anzunehmen.


Es war die beste Rede, die ich bislang gehört habe. Sie war perfekt in Form, Inhalt, Timing, Inszenierung, Ausdruck, Sensibilität für den aktuellen Kontext, die politische Situation, die Bedürfnisse der Zuhörer.


Aber das kann man ja alles in der Zeitung nachlesen.


Was diese Rede so bemerkenswert gemacht hat und mir die Hoffnung auf Amerika wieder gibt, ist, dass hier ein "liberaler" Kandidat sich kämpferisch gezeigt hat. Kein Warmduscher, jemand, der den Kampf aufnimmt. Denn in der Politik geht es um Konflikte. Und in Konflikte muss man eben in manchen Rollen auch kämpfen. Wer das nicht will, darf keine Führungsposition anstreben, sondern sollte Berater oder Therapeut werden. Unterschiedliche Rollen erfordern eben unterschiedliche Verhaltensstrategien.


Obama hat das verstanden. Nichts war für die 80000 (wie für mich) emotional so entlastend wie zu sehen, dass Obama nicht defensiv den Schwanz einzieht, sondern McCain direkt angreift ("in the face" - wie man hier sagt). Wenn man jemanden als Leader wählt, dann will man sich mit ihm identifizieren kann.


Wunderbar.


Was besonders gut war, ist, dass er die Angriffe der Republikaner direkt aufgenommen und beantwortet hat. "Die Debatte darüber, wer das angemessene Temperament und Urteilsvermögen um Commander in Chief zu sein, hat, nehme ich gern auf"/"Wir alle stellen die Nation an die erste Stelle" und nachdem er über die einfachen Leute geredet hat: "Ich weiss nicht, welche Celebreties McCain meint, aber das sind die, die mich interessieren" usw. Und den Krieg im Irak, der aus den falschen Gründen gegen den falschen Gegner geführt wird. "Ich werde Osama bin Laden und seine Leutnants finden. McCain will ihm zu den Toren der Hölle folgen, aber er hat schon am Eingang zu der Höhle, in der er haust, aufgehört zu suchen " etc. Viele Details, 29 konkrete Vorhaben, deren Realisierung überprüft werden kann. Er hat die Punkte benannt, wo Leute nicht mit ihm und seinen Positionen einverstanden sind: Die Erlaubnis der Abtreibung - "aber sie werden das Ziel teilen, ungewollte Schwngerschaften zu verhindern", Waffenkontrolle - aber wir werden uns einigen können, dass man kein AK-47 in die Hände von Gangstern geben sollte" usw.


Alles handwerklich perfekt, persönlich authentisch und glaubhaft. Aus der Sicht des Kommunikationswissenschaftlers: Besser geht es nicht!


Ich bin ehrlich beeindruckt.


Er wird gewinnen, auch wenn die andere Seite jetzt eine Schmutzkampagne starten wird. Nicht, weil er eine gute Rede gehalten hat, sondern weil er offensichtlich bereit ist, zu kämpfen und alle potentiellen Anhänger ermutigt, sich zu identifizieren und auch zu kämpfen.