Warum Gesine Schwan Präsidentin werden sollte

Horst Köhler hat angekündigt, sich wieder als Kandidat um das Amt des Bundespräsidenten zu bewerben. Und Gesine Schwan hat das ebenfalls angekündigt. Beide haben das auch schon vor vier Jahren gemacht. Damals war niemand empört, heute die CDU/CSU.


Warum sollte ein amtierender Präsident keinen Gegenkandidaten haben? Demokratie beruht unter anderem darauf, dass Ämter zeitlich begrenzt sind und die Amtsinhaber keinen Anspruch haben, wieder gewählt zu werden, auch wenn alle sie zu mögen scheinen.


Begründet wird die Empörung, weil das Aufstellen eines eigenen Kandidaten als faktische Aufkündigung der großen Koalition gewertet wird. Und da ist natürlich auch was dran. Die SPD macht mit eigenem Kandidaten eigene Ansprüche deutlich - auch wenn sie jetzt noch koaliert. Schließlich werden die Parteien ja bei der nächsten Wahl gegeneinander antreten, warum sollte das Amt des Präsidenten von den eigenen Ansprüchen ausgenommen werden. Nicht wirklich einzusehen.


Ganz im Gegenteil: Wenn die SPD keinen eigenen Kandidaten aufstellt, dann kann sie sich gleich für die nächsten Jahrzehnte aus der Politik verabschieden. Sie muss jetzt ganz offensiv auch die Möglichkeit nutzen, dass die Linke mit ihr abstimmt. Deren Repräsentanten sind schließlich auch gewählt, und es gibt keinen Grund, die einen Stimmen mehr zu gewichten als die anderen. Nach der Bayerischen Landtagswahl eröffnet sich wahrscheinlich eine Mehrheitsmöglichkeit für einen neuen Kandidaten. Die SPD kann nur Kraft gewinnen, wenn sie diese Chance links von der CDU/CSU nutzt.


Aber - mal abgesehen von parteipolitischen Überlegungen - finde ich, Gesine Schwan sollte unsere Präsidentin werden. Ich habe Herrn Köhler und Frau Schwan persönlich kennen lernen können, und beide sind, wie ich finde, ganz sympathische und integre Menschen. Dennoch glaube ich, dass sie die bessere Präsidentin wäre. Erstens, weil ich meine, dass Frauen sowieso die besseren Führungskräfte sind, und zweitens, weil ich finde, dass - trotz der großen Zustimmung, Horst Köhler kein wirklich guter Präsident ist.


Der Grund liegt m.E. in seiner beruflichen Vorgeschichte. Er ist Ökonom, und als solcher war er meist in seinen diversen Ämtern tätig. In dieser Zeit hat er keine gute Politik gemacht. Mir scheint, er hat zu einem guten Teil, wie die meisten zeitgenössischen Politiker, das nachgebetet, was Mainstream-Wirtschaftswissenschaftler, vor allem die aus den USA, vorgebetet haben (und das halte ich nicht wirklich für sehr klug). Mir hat er einfach zu schlichte wirtschaftliche Modelle. Da erwarte ich mir von Frau Schwan einen größeren Durchblick. Als Rektorin ist sie zwar auch mit viel Verwaltungsarbeit und Tagespolitik konfrontiert, aber in ihrem Professorenleben hat sie wahrscheinlich mehr Zeit zum Nachdenken gehabt als Horst Köhler als Sparkassenpräsident oder IWF-Chef. Er beansprucht eine Expertenrolle, aber Politiker können sich nicht auf ihr Expertentum berufen, sondern sie müssen ihre Ansichten dem gemeinen Mann auf der Strasse (d.h. mir) plausibel machen. Und das kann er überhaupt nicht.


Er mischt sich ein in die Politik. Ob das dem Amte angemessen ist, darüber kann man streiten. Die Richtung, in der er das tut, halte ich nicht für wirklich sehr durchdacht. Auch wenn viele Präsidenten viel schlechter waren als er, richtig gut ist er nicht.


Und Frau Schwan könnte für die SPD ein Mittel zur Reanimation sein... - das wäre für ganz Deutschland gut.