Wachstum und Zins

Am Samstag war ich auf einer Tagung, die sich mit der Frage beschäftigte, ob wir Zins und Wachstum brauchen. Zwei der dort auftretenden Autoren haben mir besonders gefallen, weil sie heilige Kühe der Volkswirtschaft schlachteten.


Richard A. Werner war der eine. Er stellte alle bislang geläufigen Zinstheorien in Frage - nicht aber Wachstum - und meinte, man könne auch ohne Zins für Kredite sorgen (die man wiederum für Wachstum braucht). Vor allem stellte er die Rolle der Banken als Geldschöpfer in Frage und meinte, diese Fuktion solle in Zukunft der Staat übernehmen. (Die meisten Leute denken ja, dass das jetzt schon der Fall ist. Ist es aber nicht. Banken vergeben Kredite und müssen dafür bei der Zentralbank einen minimalen Prozentsatz als Sicherheit hinterlegen, den Rest können sie selbst kreieren, d.h. sie müssen es sich selbst nicht erst borgen... Wenn Sie z.B. einen Euro als Spareinlage haben, dann können sie 99 Euro verborgen und als neues Geld in den Umlauf schicken - oder so ähnlich; die zu hinterlegenden Prozentsätze sind vielleicht höher, aber in jedem Fall nicht bedeutend - habe die Prozentsätze nicht genau in Erinnerung).


Der zweite war Helge Peukert, der in eine ähnliche Richtung argumentierte und für eine Reform unseres Geldsystems plädierte (hat ein Buch dazu geschrieben).


Wer auch noch da war, war Herr Abelshauser, ein Wirtschaftshistoriker, der ein - wie ich finde - außeraordentlich wichtiges Buch publiziert hat ("Kulturkampf") - in dem er den Unterschied zwischen dem anglo-amerikanischen und europäischen Wirtschaftsverständnis analysiert (aber das war nicht sein Thema auf der Tagung).


Mein Tipp ist, dass die Ideen der beiden erstgenannten in Zukunft auf breiterer Basis diskutiert werden dürften, weil sie am Kern der gegenwärtigen Krise ansetzen: Die Banken sind inzwischen wichtiger und mächtiger als die Staaten, weil der Staat nicht die Verfügungsgewalt über die Geldmenge hat... Dadurch muss es fast zwangsläufig zur Blasenbildung und deren Platzen kommen.


Eine Nebenerkenntnis: Psychotherapeuten der verschiedenen Schulen streiten sich ja gern und leidenschaftlich. Aber gegen Volkswirte sind sie einfach Waisenknaben. Wie Thomas Mayer, der ehemalige Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, feststellte: Die Volkswirtschaft ist eben gegenwärtig noch auf dem Stand der Medizin zu Zeiten der Humoralpapthologie, in der alle Krankehiten auf Störungen des Gleichgewichts irgendwelcher Säfte zurückgeführt wurden.


Sie wird ihrem Gegenstand nicht gerecht werden - so denke ich -, wenn sie nicht endlich realisiert, dass sie eine Sozial-, d.h. Kommunikationswissenschaft ist...