VW

Man hört jetzt immer wieder die Forderung, das Land Niedersachsen müsse seine Anteile an VW verkaufen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Ich halte das für einen Vorschlag, der wenig sinnvoll ist und auf falschen Vorannahmen (wie viele Vorannamen in der BWL) beruht. Er geht nämlich davon aus, dass sich Interessenkonflikte vermeiden liessen.

Doch das ist nicht der Fall. Management und Führung von Unternehmen besteht in erster Linie darin, mit Interessenkonflikten, ja, stärker noch: mit pragmatischen Paradoxien umzugehen, d.h. mit sich logisch gegenseitig ausschließenden Interessen, denen man jeweils gerecht werden muss.

Das ist bei VW nicht anders als in anderen Unternehmen, denn auch dort gibt es den Gegensatz von Kapital und Arbeit, von Interessen der Konsumenten vs. der Produzenten, der Mitarbeit vs. Anteilseigner usw.

Ich persönlich bin ein großer Anhänger von Staatseigentum an Unternehmen (unter der Voraussetzung, dass die Führungspositionen von Profis und nicht von abgehalfterten Politikern à la Pofalla besetzt werden). Denn wie in Familienunternehmen ist die Bindung an den Staat oder die STadt (wie z.B. bei Elektrizitätswerken) damit gekoppelt, dass nicht nur kurzfristigge Interessen von Aktionären, die sich in Sekundenbruchteilen von ihren Anteilen am Unternehmen trennen können, sondern langfristige Ziele die Entscheidungen leiten können/müssen.

Wenn das Land Niedersachsen daran interessiert ist, Arbeitsplätze im Land zu halten, dann wird bei VW eben anders entschieden als bei einem Unternehmen, das um der Quartaltsergebnisse willen die Produktion in irgendein fernes Land verlagern kann.

Was bei den Familienunternhmen die "Enkelfähigkeit" ist, muss für ein Unternehmen im Staatseigentum die nachhaltige (!) Erhaltung der Arbeitsplätze sein. Beides kann nur erreicht werden, wenn professionell geführt wird, Innovation möglich ist usw.

Die Probleme der deutschen Autoindustrie, der Beschiss bei den Abgasen z.B., sind ja nicht entstanden, weil das Land Niedersachsen Anteilseigner war und ist, sondern weil generell die Politik eine Kumpanei mit der Autoindustrie eingegangen und ihrer Aufsichtspflicht nich nachgekommen ist. Wenn ein ehemaliger Verkehrsminister Oberlobbyist der Autoindustrie wird, dann ist dies ein verdächtiges Zeichen.

Das Problem ist ja, dass wie in einem normalen börsennotierten Unternehmen zu kurzfristig (=Quartalsergebnisse) bei VW gedacht wurde und das Management in idiotischer Weise inzentiviert wurde. Hätte man dessen Auftrag, nachhaltig für Niedersachsen (=Interesse des Anteilseigners) ernst genommen, dann wäre es nicht zu den Betrügereien gekommen. Es sind Manager, die ihren Job nicht richtig verstehen, die so etwas zulassen.

Dass Herr Weil (wie alle Ministerpräsidenten vor ihm) als Mitglied des Aufsichtsrats die Juristen von VW auf seine Regierungserklärung schauen lässt, ob juristischen Fallstricke drin stecken, scheint mir selbstverständlich: ein Zeichen dafür, dass er sich der unterschiedlichen Rollen bewußt ist und seiner Verantwortung für beide gerecht werden will (was in diesem Fall ja einfach zu erreichen war).


D