Vorsicht Sparkasse!

Der Fall Nokia ist schlimm. Wirklich beängstigend aber empfand ich das, was am späten Abend des 16. Januar 2008 in einer ARD-Reportage berichtet wurde in der Sendung: die story - Und plötzlich ist das Haus weg.


Demnach hat sich im Frankfurter Westend der amerikanische Hedgefonds Lone Star niedergelassen. Er kauft deutschen Sparkassen paketweise Kredite ab, um sie zu verwerten. „Faule Kredite“, also solche, die nicht mehr vertragsgemäß bedient werden (können), also auch von vielen Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind durch Krankheiten, Unfälle oder Arbeitsplatzverluste, wie man meinen würde. Schlimm genug, wenn sich die in öffentlicher Verantwortung und unter politischer Kontrolle agierenden Sparkassen auf diese Weise der „Drecksarbeit“ im Kreditwesen entledigen. Denn der Hedgefonds hat einzig und allein das Ziel, die erworbenen Kredite zu möglichst viel Geld zu machen. Er hat dazu 21 „Tochterfirmen“ (genannt Westend 1 – 21) gebildet, die jeweils mit der Abwicklung eines solchen Paketes beauftragt sind.


Aber diese Pakete werden ganz anders geschnürt. Es werden auch ganz normal bediente und seriös verlaufende Hypothekenkredite darunter gemischt. Und das Schlimmste: Die Betroffenen werden weder vorher informiert noch gar um ihr Einverständnis gefragt. So fallen die Leute aus allen Wolken, wenn sie angegangen werden von einer Firma Westend (Nr. 1 bis 21), die sie plötzlich anschreiben und über den Besitzwechsel informieren. Der Grund: Es gibt kein Gesetz, das solche Schweinerei verbieten würde. Offenbar kann man sich unter den Autoren eines Sparkassengesetzes gar nicht vorstellen, dass eine deutsche Sparkasse überhaupt auf solche Ideen kommt. Muss sie auch nicht. Dafür beschäftigen diese „Heuschrecken“ (Münte sei Dank!) Heerscharen findiger Juristen, die völlig frei von moralischen Bedenken nach Gesetzeslücken Ausschau halten, die sich dann gewinnbringend ausnützen lassen. Und die biederen Sparkassenchefs werden dann fortgebildet, wie sie das Geschäft zu händeln haben (vermute ich mal einfach).


Das funktioniert dann so: Eine Sparkasse schnürt ein Bündel von Krediten aus ihrem Hypothekengeschäft im Wert von vielleicht 100 Millionen Euro. Lone Star erwirbt es für vielleicht 35 Millionen Euro. Die Sparkasse kann die „Wertberichtigung“ Steuer sparend bilanzieren. Für den Lone Star stehen nun aber die ausgelobten Kredite aus, die er mit seinen Westend-GmbHs, unterstützt von der Deutschen Bank, eintreiben lässt. Mit kurzen Terminsetzungen. Betroffene machen Versuche, Ihr Vermögen zu retten. Lone Star sind diese Kunden völlig egal. Sein Interesse ist die Verwertung. So werden Zwangsversteigerungen angesetzt und die Objekte (im Film ein Hotel an der Ostsee und zwei Firmen mit Hausbesitz in Schleswig-Holstein) möglichst rasch verscherbelt. Zurück bleiben Menschen, deren Existenz aus für sie unerfindlichen und mit gesundem Menschenverstand nicht zu fassenden Gründen zerstört ist. Es gab dabei sogar einen Suizid.


Das sind wahrhaft kafkaeske Situationen. Wenn dann noch freundlich lächelnde Sparkassen- und Fondsmanager erklären, alles sei völlig legal abgelaufen, dann kann ich auch als nicht betroffener Zuschauer nur noch in Verzweiflung geraten: Biedere Sparkassendirektoren retten ihre Bilanz, indem sie sich Heuschrecken ins Haus holen und alles vergessen, was man früher einmal unter dem Aspekt des ehrbaren Kaufmanns und vertrauenswürdigen Bankers für selbstverständliche (deutsche) moralische Größen diskutiert und vielleicht gar erlebt hat.


Nun stelle ich fest: Das ganze Sparkassenwesen hat für mich mit einem Schlag seine Unschuld und mein Vertrauen verloren. Was müssen Leute empfinden, die bei diesen Kreditinstituten ihre Hypothekendarlehen aufgenommen haben und mühsam abstottern? Kommt mein Kredit auch „aus Versehen“ oder „rein zufällig“ (so zwei Auskünfte) in ein solches Abwicklungspaket, aus dem es kein Entrinnen gibt? Ich würde nicht mehr ruhig schlafen, wenn ich noch ein solchen Kredit hätte und werde alles mir Mögliche tun, um nie mehr einen zu brauchen. Ich versuche schon den ganzen Tag meine Abscheu über diese „Managementmethoden“ zu vergessen. Es gelingt mir nicht.


Ich fürchte, wenn das in unserem Land so weiter geht, dann nähern wir uns peu à peu revolutionären Verhältnissen. Die Bude raucht schon an allen Ecken und Enden.


Gute Nacht, wünscht

Horst Kasper