Vom Schmerz und der Spaltung

Es gibt wiederkehrende Meditationen wie etwa die über das Wesen der Liebe (vielleicht in einer späteren Notiz) oder über die Frage, ob wir nun Eins sind (nämlich eine Einheit von Körper und Seele, was immer sie sei) oder Zwei (nämlich Körper plus Seele, die an irgendeiner Stelle ein Verhältnis eingehen, das aber auch wieder, im Tod zum Beispiel, gelöst werden kann). Vielleicht entspringen die jeweiligen Sichtweisen viel weniger wissenschaftlichen Befunden, als vielmehr emotionalen Bedürfnissen: Ich denke da etwa an das spontane Dualisieren schmerzleidender Patienten, das sich in Äußerungen verpackt wie "Der Körper macht, was er will." oder "Und dann meint er wieder (der Körper nämlich), er muss mir zeigen, wo meine Grenze ist." Ein Abgrund von Leiden, der in einen Abgrund von Selbstentfremdung übergeht, bis dass beide ein System von Abgründen ergeben, vergleichbar einer Schleife, wie Escher sie gezeichnet haben könnte.


Warum also das Bedürfnis nach Spaltung? Nun, wahrscheinlich verführt körperlich gefühltes Leiden um der spontanen Erleichterung willen zu einer anti-psychosomatischen Haltung, bei der gewissermaßen der Seelen-Innenraum vom Schmerz unberührt bleiben will, wenn doch schon die rohe Maschine unter der Folter liegt. Das empörte Zurückweisen billiger psychosomatischer Angebote à la "Der Schmerz ist Ihr Freund." ist nur zu verständlich, denn meine Freunde foltern mich nicht.


Grausame Erkenntnis dann, wenn man entdeckt, dass man selber der Folterer ist, ein Dualismus (Bewusstsein und Unbewusstes) im Monismus (Einheit von Leiblichem und Seelischem). So sehr diese Erkenntnis aber für Veränderung wichtig ist, so emotional belastend und Kräfte schluckend ist sie auch. Und es hätte gar keinen Sinn, eine solche Sichtweise zu fördern, wenn man nicht zugleich etwas anzubieten hätte, was ich "neuronale Kompetenz" nennen will, d.h. die Fähigkeit, sich im eigenen System, im Nervendschungel zurecht zu finden.


Eine kleine Spinnerei hier am Rand: Der in der ersten Notiz als virtueller Gast eingeladene Descartes gilt als geistiger Vater einer dualistischen Sichtweise, die das Körperlich-Rohe vom Mental-Feineren trennt. Moderne Psychosomatiker wie etwa der Hypnotherapeut Ernest Rossi grenzen sich daher vom Cartesianismus ab. Wie aber, wenn die Dualistische als zweite Sichtweise neben die Monistische gehören würde, und sie hätten beide recht? Wie, wenn beide, einfach aus verschiedenen Grundbedürfnissen gespeist, sich in unterschiedlich aufgeladenen Kontexten entfalten bzw. wieder zusammen falten ließen? Dass Descartes, der als 22-jähriger Freiwilliger an den Feldzügen des Prinzen von Oranien teilnahm und später den bayrischen Truppen zugehörte, genug Gräuel mitbekam, um nach einer Trennung der leidensfähigen von einer denkenden Substanz zu gieren, das wäre immerhin möglich. Dass wir TherapeutInnen, die wir um der Reduzierung von Leiden psychosomatisch Einfluss zu nehmen wünschen, dagegen die Zonen wieder als eine denken, das leuchtet ebenso ein. So läge also die eigentliche Spaltung in der zwischen einer monistischen und einer dualistischen Sichtweise. Und ihr Widerspruch wäre überhaupt keiner, einfach weil das Leben keine Widersprüche kennt...