Vom Jugendwahn in der Wissenschaft

Ein Sitzungstag an der Universität kann mitunter die geistige Existenz erschüttern. Die einen verhalten sich in einschlägigen Situationen resilient und schreiben ein Märchenbuch (so Iring Fetscher in den Nach-68er-Jahren der Frankfurter Universität, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften), anderen leert sich zunehmend der Kopf. Heute zähle ich zu den Letzteren, drum können Sie auch nicht viel erwarten (was übrig geblieben ist an geistiger Wendigkeit, wird für das nun folgende Fallseminar benötigt).


Ein Beispiel für nervtötungsträchtige Situationen: die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist der Ansicht, daß in Forschungsprojekten vorrangig, wenn nicht gar ausschließlich, Wissenschaftlernachwuchs beschäftigt werden soll, also Menschen unter 30. Das hat verschiedene Konsequenzen, von denen ich eine besonders schäbige herausstellen will: Ältere Kolleginnen und Kollegen, denen das Schicksal oder andere günstige Umstände keine Dauerstelle beschert hat (immerhin sprach schon Max Weber vom "akademischen Hasard"), stehen nach 12 Jahren als auf dem universitäten Stellenmarkt, Abteilung Mittelbau, unvermittelbar da. Das sind gleichzeitig die Leute, die auftrund ihrer Erfahrung das Rückgrat eines Forschungsprojekts bilden.


Ersonnen werden solche Regelungen von Leuten, die ihren Jugendlichkeitswahn aus einer Situationheraus pflegen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie außer ihrer Arbeit nichts anderes kennen, arbeitsfreie Zeiten mit der Teilnahme an Tagungen füllen und, wenn dann immer noch Löcher sich auftun, die sie durch Muße sinnvoll füllen könnten, aber nicht wissen, wie das geht, auf Talkshows herumsitzen. Und das tun sie dann so lange wie möglich.


Üblicherweise kleben solche Leute an ihren Stellen, und nur der gütige Wähler/die gütige Wählerin verschafft ihnen hin und wieder Situationen des Freigangs - sofern ihre treusorgende Partei sie nicht anderweitig mit einem Posten versorgt, an dem sie im oben beschriebenen Stil weitermachen können.


Übrigens: Was macht eigentlich Frau Bulmahn, die von Politikerseite, als sie noch im Amt war, für den Jugendlichkeitswahn gesorgt hat, indem sie ihren Staatssekretär die 12-Jahres-Regelung erfinden ließ? Es soll in diesem Zusammenhang, bezogen auf die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Mittelbaus, das böse Wort vom "Schrott" gefallen sein. Bulmahns Nachfolgerin will dem Vernehmen nach diesen Unsinn beenden, aber bis zur Deutschen Forschungsgemeinschaft ist dieser Kurswechsel noch nicht vorgedrungen.


Soviel dazu.


Schönen Abend, Ihr


Bruno Hildenbrand