Vom Erfinden der Hoffnung

„Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden“, schrieb Herr Liebscht in seinem Kommentar zum Beitrag vom 1., nun vom 4. Mai über die „Förderschule von Marbach“, wie der dazu gehörende Artikel der aktuellen ZEIT überschrieben ist. Mit Fragezeichen. Ich bin für das Ausrufezeichen. Dumm nur, dass Gefühle wie die Hoffnung nicht auf Kommando zu erzeugen sind. Bleibt die Frage: Wie bringt man die Zweifel zum Verschwinden, wenn Wünsche und Hoffnungen irreal, die Ziele nicht erreichbar erscheinen? Ein echtes Dilemma, das wir alle kennen.


„Ob du glaubst, dass du es kannst, oder ob du glaubst, dass du es nicht kannst, du hast Recht“, meinte schon der gute alte Henry Ford. Es ist also wohl eher ein Zustand, der entweder vorhanden oder eben nicht vorhanden ist. Bleibt dennoch die Frage: Kann man seine intrinsischen Zustände positiv von außen beeinflussen? Könnten also Lehrerkollegien ähnlich wie das des Friedrich-Schiller-Gymnasiums Marbach über einen längeren Zeitraum hinweg in eine ähnlich positive Entwicklung geführt werden? Was müsste an anderen Schulen geschehen, um so etwas zu ermöglichen?


Diverse wissenschaftliche Untersuchungen (Schaarschmidt, Bauer) belegen den desolaten Zustand vieler, vielleicht der meisten Lehrerkollegien deutscher Schulen aller Art. Ein knappes Drittel im Zustand des Burnout, ausgebrannt. Der Frankfurter Bildungsforscher Udo Rauin glaubt nachgewiesen zu haben, dass die meisten von ihnen „nie gebrannt“ haben und deshalb auch gar nicht ausgebrannt, sondern schlicht für den Beruf ungeeignet seien, von vorneherein überfordert. SPIEGEL Online brachte am 20. März 2008 ein Interview mit dem Forscher „Lehrer als Problem“. Dazu arbeitet ein knappes Fünftel im Schongang, ein weiteres Drittel in dauernder „Selbstüberforderung“ und nur rund jede/r Sechste wirklich gesund und leistungsfähig. Kein Berufsfeld der Republik weist derartig bedenkliche Werte seines Personals aus.


Schlimm finde ich die Zustandsbeschreibungen, schlimmer noch die Ratlosigkeit der Experten. Die Forderungen nach besserer Lehrerbildung zum Beispiel versucht die Lösung in die ferne Zukunft zu verlagern. Außerdem sind sie nicht neu. Es gibt sie seit über vierzig Jahren.


Auf genau diese Lage trifft nun der Bericht von Martin Spiewak in der ZEIT vom 30. April. Da ist plötzlich von einer Schule wie aus einem anderen Land die Rede. Es gibt sie, Schulen, die offenbar über ein Personal verfügen, das seine Aufgaben exzellent meistert.


Es scheint also nicht nötig, die Hoffnung zu erfinden, hier ist sie zum Schöpfen vorhanden. Man braucht sich nur von dem anstecken zu lassen, was in Marbach über 20 Jahre hinweg aufgebaut worden ist, um an der eigenen Schule eine ähnlich positive Entwicklung in Gang zu setzen. Es sind solche Berichte, die das Zeug dafür in sich tragen, den Funken des Glaubens an die gute Zukunft aller Schulen im Land zu stärken. Hoffentlich wirkt die Arbeit dieser Schule ansteckend für viele andere, damit sich bald viele Schulen im Land mit dem Versprechen des dortigen Schulleiters an ihre Schüler identifizieren können: „Alle kommen ans Ziel!“


Ich denke, der einzige Weg, die unbefriedigenden Zustände an vielen Schulen zu überwinden, ist das konsequente Beschreiten eines eigenen Weges à la FSG Marbach. Nicht das Warten auf die göttlichen Eingebungen in den Kultusministerien oder in den Verwaltungen, sondern der erste Schritt auf dem eigenen Weg bringt uns der Lösung unserer Probleme näher. "Der Weg entsteht beim Gehen", wissen die Japaner von alters her, und die Motivation wächst mit den immer neuen Erfolgen. Insofern kann man also doch vom Erfinden der Hoffnung sprechen. Diese Erfindung geschah offenbar in Marbach am Neckar. Wir anderen müssen uns nur noch ihrer bedienen (lernen). Und das ist wahrhaftig nicht ganz leicht.