Viktor Orbàn

Der gegenwärtige ungarische Ministerpräsident Viktor Orbàn macht sich in Europa zur Zeit nicht sehr beliebt. Er hat nicht nur ein Zensurgesetz für die heimischen Medien durchgesetzt (was ihm angesichts einer 2/3-Mehrheit im Parlament nicht schwer fiel), sondern er erläßt nunmehr auch noch Sondersteuern für nicht-ungarische Unternehmen (was wahrscheinlich ein Verstoß gegen EU-Recht darstellt). Doch dies ist nur das, was bei uns wahrgenommen wird. Denn seit Orbán die Macht übernommen hat, befindet sich Ungarn im Umbau zu einem autoritär-nationalistischen Staat (zu Einzelheiten siehe heute in der taz: G.M. Tamàs: Das ungarische Dasaster - http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/das-ungarische-desaster/).


Orbàn war schon einmal Ministerpräsident (1998 - 2002). Damals galt er als Hoffnungsträger der pro-europäischen Ungarn. Ich weiss das, weil die European Family Therapy Association (EFTA), deren Vize-Präsident ich damals war, im Jahre 2001 ihren Internationalen Kongress in Budapest veranstaltete. Orbàn hielt das Eröffnungsreferat, und wir - der Vorstand der EFTA - hatten beschlossen, ihm eine der von uns zu vergebenden Auszeichungen für Verdienste um die Familientherapie, Europa, die Menschheit (was immer ...), zu verleihen. Sein Referat war Dankesrede, aber auch inhaltliches Bekenntnis zu Europa.


Für unsere ungarischen Kollegen war er der Politiker, der Ernsthaftigkeit und alle für sie nur denkbaren positiven Werte repräsentierte, so dass es ihnen nicht sehr schwer fiel, uns zu der (ungewöhnlichen) Vergabe des Preises an einen Politiker zu überzeugen. Und die Rede, die er dann hielt, schien ihnen recht zu geben (auch wenn ich mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnere).


All dies und die Tatsache, dass er in den letzten Jahren etwas dicker geworden ist und sein Gesichtsausdruck eine früher nicht vorhandene Härte zeigt, führte dazu, dass ich lange brauchte zu realisieren, dass diese neue ungarische Politik von demselben Mann vertreten wird, der bei mir einen so ganz anderen (=positiven) Eindruck hinterlassen hatte.


Die Zeiten ändern sich, und die Politiker ändern sich mit ihnen... Vom aufgeklärten europäischen Demokraten zum populistisch- faschistoiden Herrscher?


Auf jeden Fall weiss ich jetzt, dass es - immer - riskant ist, jemandem zu Lebzeiten einen Preis zu verleihen. Man gibt sich dann irgendwie in seine Hand, denn, was Preisträger tun, fällt ja immer auch auf die Preisverleiher zurück...


Auf der anderen Seite denke ich, man sollte vielleicht den Begriff der Preis-Verleihung ernst nehmen, und Preise, die ja nur verliehen wurden, zurück fordern...