Verweigerung oder Vermeidung?

Am Ende der Verweigerungshaltung (oder ist es eher die der Vermeidung?) steht unausweichlich das Scheitern an der Schule, wenn ihr nicht rechtzeitig so wirkungsvoll, geschickt, konstruktiv, kreativ … begegnet wird, dass der Prozess gewendet werden kann.


Wenn ich mir die hoffnungsvollen und vor Freude sprühenden Augen der Kinder am ersten Schultag in Erinnerung rufe, dann bin ich immer wieder fest davon überzeugt, dass am Beginn kein Kind ans mögliche Scheitern denkt. Was aber ist es, das den Zauber zerstört, der jedem Anfang innewohnt (Hesse)? Ich denke, da gibt es eine Menge denkbarer Gründe. Was – so müssen wir uns in jedem Einzelfall fragen - führt zum Vermeiden, mit dem meines Erachtens die Vorstufe zum Verweigern beginnt? Ich denke jeder Lehrer weiß das im Grunde ziemlich genau.


Ich gebe Herrn Geiling und Herrn Liebscht in Ihren Kommentaren zu meinem gestrigen Beitrag recht (Herr Liebscht bringt es mit dem Bild des Spiegels auf den Punkt, den uns die Verweigerer vorhalten). Nur können wir es uns denn weiter leisten, die Situation mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen, um uns dann so gut es geht auf die Situation einzustellen, also vor der Realität zu resignieren? Ich beharre auf meiner schonungslosen Forderung an jede einzelne Schule, sich nicht weiter der Produktion von Versagern hinzugeben: Übernehmen Sie Verantwortung! Das mag schwierig sein und unendlich mühsam, aber es geht nur so. Wer sagt denn, lieber Herr Geiling, dass an dem zitierten Gymnasium in der Schillerstadt Marbach sogleich alle „an einem Strang“ ziehen oder sogar von Beginn an zogen? Ich bin kein Illusionist! In jedem Kollegium wird es eine mehr oder weniger große Menge an Kolleginnen und Kollegen geben, die einen Schulleiter, der allen das Gelingen verspricht, für (gelinde gesagt) etwas überspannt halten. Ja, einige werden ihren Notenterror noch verschärfen, um recht zu behalten. Aber die (vielleicht zuerst kleine) Minderheit, die so eine Philosophie des Gelingens unterstützt, wird alsbald Belege dafür erhalten, dass sie richtig liegt. Das behaupte ich aus Erfahrung. Der Prozess des Gelingens ernährt sich selbst.


Vielleicht sollten wir uns sogar zuerst fragen, was für Gründe es sind, die manche Schüler trotz aller Negativerlebnisse und zwischenzeitlich fehlenden Erfolge nicht zu Verweigerern werden lassen. Was stützt einzelne oder ganze Klassen in der Haltung „Wir packen es alle!“, mit der sie dem Trend der Verweigerung in der Pubertätszeit (auch gegenüber den Peers) widerstehen? Sind es die Ermutigungen der Eltern? Sind es temporäre oder sektorale Erfolgserlebnisse? Ist es der sportliche Ehrgeiz (die können mich nicht platt machen!)? Sind es die Hilfestellungen durch manche Lehrer(innen)? Kurz: Ich bin fest überzeugt, dass die Gesamtheit der Schülerschaft einer Schule zum Schulerfolg (und damit zur Ausbildungsfähigkeit) kommen kann, sogar gegen den Trend der öffentlichen Meinung, dass diese „Schulart“ oder jener „Schultyp“ nur Versager produziert. Auch gegen die allgemeine Erwartungshaltung (uns bleibt nur Hartz IV!).


Das Wichtigste scheint mir – gerade auch angesichts des Beitrages von Herrn Geiling – die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für den eigenen Erfolg und vor allem für die, die das eigene Subsystem bisher ausgemustert hat. Auch häufige Schulwechsler sind ein klarer Beleg dafür, dass wir als einzelne Schule nur „bedingt ausbildungsfähig“ sind. Gehen Sie ans Werk der Autopoiese Ihrer eigenen Schule. Es lohnt sich bestimmt, auch wenn es anstrengend wird. Sogar die Berliner Rütlischule hat das geschafft.