"Vertriebene"

Erika Steinbach, von Beruf "Vertriebene", soll eine wichtige Funktion im "Zentrum gegen Vertreibungen" übernehmen. Ob dies politisch opportun ist oder nicht, darüber streiten sich die Experten. Die Polen sind jedenfalls sehr dagegen.


Anlass, ein wenig über so genannte Vertriebene zu grübeln. Frau Steinbach ist 1943 in Westpreußen geboren, wenn Wikipedia nicht lügt. Das heißt, sie musste mit etwa 2 Jahren ihre "Heimat" (die Eltern stammten aus dem Westen und waren nur aufgrund des väterlichen Marschbefehls dort, als sie geboren wurde) verlassen. Sehr viele persönliche Erinnerungen dürfte sie an die deutschen Ostgebiete nicht haben. Im besten Fall sind es Erinnerungen an Erzählungen der Eltern.


Das ist bei den meisten Kindern von "Vertriebenen" so. Ich weiss das, weil ich auch in solch einer "Flüchtlingsfamilie" aufgewachsen bin. Bei der ersten Bundestagswahl, an die ich mich erinnere - ich durfte mit zum Wahllokal -, haben meine Eltern BHE gewählt (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten), eine Partei, die dann von der CDU freundlich übernommen wurde (oder umgekehrt). Und ich durfte auch immer mit zu den jährlich stattfindenden Schlesiertreffen. Allerdings gingen meine Eltern da offensichtlich hin, um alte Bekannte zu treffen. Die Idee, jemals nach Schlesien zurück zu gehen, hatte keiner von all den "Vertriebenen", die ich kannte (und es waren zig). Zumindest glaubte oder äußerte nie jemand ernsthaft, dass er hofft, in die "Heimat" zurück zu gehen (auch der Begriff wurde nicht verwandt). Keiner von all den Leuten hat, damals in den 50er Jahren, zurück oder in den Osten geblickt. Man war viel zu sehr damit beschäftigt, eine Zukunft im Westen aufzubauen. Und als das schließlich gelungen war, wäre auch keiner mehr zurück gegangen. Und auch die - wie Herr Ehrmann meint - traumatisierten Flüchtlingskinder wären nicht an ihre Geburtsorte heimgekehrt, weil die sich - manchmal m.E. in pathologischem Maße - an den Orten, an die sie die Flucht verschlagen hatte, festkrallten.


Allen war klar, dass der Drang nach Osten, die Professionalisierung der Flüchtlingsrolle, eine politische Masche war, die keine reale Chance hatte. Wahlkampfgekklüngel. Bei Sonntagsreden war sie populär - und eigentlich ging es dabei immer nur um Entschädigungsansprüche. Der "Entrechtungs"-Aspekt war immer wichtiger als der Heimataspekt. Daher waren auch in erster Linie diejenigen politisch aktiv, die ihrem Heimaterde nachtrauerten: die (Groß-) Grundbesitzer.


Nichts bindet so wie Eigentum. Schon Macchiavelli hat seinem Fürsten geraten, im Zweifel seine politischen Gegner umzubringen, sie aber nicht zu enteignen. Denn Tote werden schnell vergessen. Aber wo ein Erbe verloren geht, da werden noch Generationen nach der Enteignung zu unversöhnlichen Feinden heranwachsen...