Verständigung fängt bei mir an - weiß ich, was ich will?

Montag war unser Innenarchitekt kurz da und hat ein paar Angebote verschiedener Dienstleister vorbeigebracht.

Wenn er kommt, gehe ich schon in eine bestimmte, vorsichtige Haltung. Denn er neigt zu einer ganz anderen Gesprächsweise als ich und ich tue gut daran, schnell herauszufinden, was ihn heute drückt.

Meistens drückt ihn nämlich etwas. Er spricht es aber nie direkt an. Es kommen dann im Gespräch von ihm Bemerkungen, bei denen ich mich zunächst vage unwohl, dann fast schuldig fühle. Ich suche kurz in meiner Erinnerung nach einem Vergehen meinerseits, finde keins und neige dann dazu, leicht gereizt zu werden, weil ich nicht mag, dass er mich unterschwellig „anmacht“. Wenn ich dem Impuls unreflektiert nachgebe, wird das Gespräch immer unangenehmer: Meine unwillige, gereizte Reaktion verstärkt seine angedeutet vorwurfsvollen Bemerkungen.


Was ist da los? Was bekomme ich nicht mit? Was hat er?


Ich werde den Eindruck nicht los, dass er etwas Bestimmtes von mir hören will. Eine typische Formulierung von ihm ist z.B.: „Das muss auch mal gesehen werden, was da für für ein Aufwand drinsteckt“, wenn er mir die Detailzeichnung eines Bereichs zeigt, die er angefertigt hat und mir dann vorrechnet, wie viele Stunden und Mühe er darauf verwendet hat. (Er wird übrigens nicht nach Stunden bezahlt.) Sein Ton und Blick ist dabei vorwurfsvoll und auffordernd.


Da mir nicht sofort klar ist, worauf er hinaus will und was er von mir erwartet, beginnen bei mir Suchprozesse: Beschwert er sich über zu viel Arbeit? Zu wenig Bezahlung dafür? Aufgaben, die unter seiner Würde sind? Über die nervigen, unvorhergesehenen Sonderwünsche der Auftraggeber, die dann mühsam und zeitraubend abzuarbeiten sind? Möchte er Anerkennung für seine Mühe, z.B. Lob und Staunen?


Die beschriebene Gesprächssituation ein schönes Beispiel für ein interessantes Kommunikationsmuster - aber misslungene Verständigung.


Mit Verständigung ist dabei zunächst die subjektive Gewissheit gemeint, dass mein Gegenüber mich verstanden hat. Das erfordert, dass ich entsprechend meiner Botschaft, die beim anderen ankommen soll, die passenden Gesprächsmittel wähle. Ich muss sagen, was ich will, am besten so, dass Du eine echte Chance hast, mich zu verstehen! Das kann ohne viel nachzudenken super klappen. Es erfordert aber schon mindestens drei Kompetenzen:


1. Wissen oder zumindest spüren, was ich sagen will, was beim anderen ankommen soll,

2. richtige Einschätzung des sozialen Kontextes, der Gesprächssituation, meines Gegenüber und

3. zu beidem passende Wahl meiner Worte, des Tonfalls, der Körpersprache usw.


Nach der Erfahrung aus dem Coaching ist ein häufiger und leidvoller Fall derjenige, wenn jemand nur diffus spürt, was er möchte. Es wird ihm nicht bewusst. Was er deutlich merkt, ist der Unwille seines Gegenüber, weil der so widerspenstig reagiert. Und was passiert, ist, dass aus dem diffusen Hintergrund der eigenen vorhandenen aber unklaren Wünsche und Ziele heraus versucht wird, das Gegenüber in eine bestimmte Richtung zu dirigieren. Das Gegenüber lässt sich aber nicht so gern dirigieren. Also stellt sich nicht das Gefühl ein, verstanden zu werden.

Für das Gegenüber kommt eine Schuldzuweisung an: „Warum gibst Du mir keine Anerkennung“ oder sogar: „Du beachtest ja wider gar nicht, was ich geleistet habe“. Das Bedürfnis nach Anerkennung, Freude und Stolz auf die Leistung, wird nicht deutlich.


Wenn man anschaut, warum die Bedürfnisse diffus oder unbewusst sind, kommt manchmal ein Glaube heraus, dass es nicht ok ist, diese Bedürfnisse zu haben und sie zu zeigen. Kommt das den Psychologen und Therapeuten unter Euch bekannt vor?


Um also bessere Verständigung zu lernen, kann im ersten Schritt geübt werden, sich der eigenen Ziele, Wünsche und Bedürfnisse in Gesprächssituationen bewusster zu werden. Das zu lernen ist eine entscheidende Perspektiverweiterung. Ich ent-identifiziere mich ein Stück weit mit mir selbst, werde größer als meine bloßen Wünsche und Bedürfnisse – denn jetzt kann ich sie gleichzeitig auch „von außen“ sehen! Das gibt mir viel mehr Gestaltungsfreiheit.


Ganz nebenbei übe ich dabei gleichermaßen, andere zu beobachten und ihnen das gleiche Innenleben zuzugestehen und auch ihnen ihnen Wünsche und Bedürfnisse einzuräumen. Ein zweiter wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Verständigung...