Verschmutzungsrechte

Als "Unwort des Jahres" - oder war es das "Wort des Jahres"? (aber wahrscheinlich ist es zwangsläufig ja immer beides) - wurde "Finanzkrise" auserkoren. Diese Wahl ist verständlich, aber ich bin trotzdem anderer Meinung. Meines Erachtens ist "Verschmutzungsrechte" das Wort/Unwort des Jahres (wenn nicht des Jahrzehnts).


Um solche "Rechte" ging es u.a. auf der EU-Klimakonferenz. Ergebnis - und das war das Ende von Angela Merkel als Umwelt-Politikerin - ist, dass die Industrien, die besonders viel Dreck in die Atmosphäre pusten, dies auch in den nächsten Jahren tun dürfen, ohne dafür zur Kasse gebeten zu werden. Ihnen werden "Verschmutzungsrechte" geschenkt.


Dass man so etwas denken kann wie "das Recht zu verschmutzen", ist als Phänomen schon interessant. Kein Mensch käme wahrscheinlich auf die Idee, "Kindeesmißbrauchs-Rechte" zu formulieren. Erklärbar ist das nur, weil man ein handelbares Gut etablieren wollte, um den Markt an die Stelle des Gebote oder Verbote erlassenden Staates bzw. der Staatengemeinschaft zu setzen.


Das alles erinnert ein wenig an den Ablasshandel. Nur dass der Ablasshandel nicht so viel spürbaren Schaden auf Erden angerichtet hat (nur im Himmel hatte man wahrscheinlich an den Folgen schwer zu tragen). Die Erlösung von irdischer Schuld einem ökonomischen Mechanismus zu überlassen, erscheint haute geradezu komisch. So werden künftige Generationen wahrscheinlich über den Handel von Verschmutzungsrechten denken...


Es gibt m.E. aber ein - auch aus systemischer Sicht - auf den ersten Blick ganz gutes Argument für den Handel mit "Emissionszertifikaten" (was ein etwas weniger auffälliger Begriff für Verschmutzungsrechte ist), das der Diskussion wert ist:


Eigentlich müssten ja Strafen für Verschmutzung angesetzt werden. Nach dem Motto: Das Recht die Erde bis zur Unbewohnbarkeit zu verschmutzen kann keinem zugebilligt werden. Wer es dennoch tut, der muss aus dem Verkehr gezogen werden oder zumindest so viel dafür zahlen, dass es sich nicht lohnt... Aber Verbote - und das ist zu bedenken - sind nur dann einigermaßen wirksam, wenn der Verstoß gegen sie kontrolliert werden kann und wird. Kontrollsysteme sind aber zum einen meist nicht wirklich konsequent umsetzbar und zum anderen in der Regel nicht kreativitätsfördernd. Sie regen meist vor allem dazu an nach Wegen zu suchen, wie sie elegant umgangen werden können. Außerdem ist Kontrolle immer sehr, sehr teuer. Freier Handel ist da preiswerter und möglicherweise eher in der Lage, die Innovation bei der Suche nach schadstoffarmen Technologien zu fördern.


Verbote sollten daher nur dort verhängt werden, wo Verstöße gegen Sie gut, d.h. leicht, beobachtbar sind.


Das ist bei Dreckschleudern wie Kohlekraftwerken aber der Fall. Auch bei anderen Industriebetrieben lässt sich ganz gut kontrollieren, wieviel Dreck sie produzieren. Das spricht dafür, dass Verbote tatsächlich wirken könnten.


Umweltverschmutzung gehört m.E. sozial diskreditiert. Es handelt sich nicht um Kavaliersdelikte. Arbeitsplätze würden langfristig nicht wirklich gefährdet, wenn z.B. nur Produkte (z.B. aus China) eingeführt werden dürften, wenn sie produziert werden, ohne die Atmosphäre zu verpesten oder Kinder arbeiten zu lassen etc. Europa hätte da eine starke Position. Frau Merkel hat eine Chance zu einer nachhaltigen Politik versemmelt. Schade.


Manche Probleme lassen sich nicht durch den Markt regeln. Ich bin zumindest sehr dagegen, den Handel mit Kindesmißbrauchs-Zertifikaten zu erlauben.