Verfallsdaten

In den Zeitungen steht heute, dass irgendein Experte den Vorschlag gemacht hat, Mitteilungen im Internet mit einem Verfallsdatum zu versehen und automatisch zu löschen. Hintergrund ist wohl, dass immer wieder junge Menschen der Versuchung nicht widerstehen können, irgendwelche Daten ins Netz zu stellen, die später gegen sie verwendet werden - etwa, wenn sie sich um eine Stelle bewerben etc.


Das Netz vergisst keine Jugendsünden. Wer mit 17 pornographische Fotos von sich ins Netz stellt, sollte damit rechnen, dass ihn seine Enkel darauf ansprechen, wenn er 71 ist...


Hier wären Verfallsdaten hilfreich. Eine Vergessensfunktion für das Internet. Mir scheint das auch sehr sinnvoll. Schließlich rechne ich auch damit, dass mir das alles in ein paar Jahren peinlich ist, was ich hier reinstelle.


(Und ob Sie das in zehn Jahren alles noch so toll finden, was und wie Sie hier kommentieren, ist ja auch noch nicht wirklich klar...)


Das scheint mir die Tücke von Kommunikationsmedien, die dazu verführen zu vergessen, dass dies hier keine mündliche Kommunikation ist. Die einzelnen Äußerungen sind - wie bei der e-mail - nicht Ereignisse, die eigentlich schon vorbei sind, wenn sie sich ereignen, sondern sie können auf immer und ewig reproduziert werden, und kein Schwein erinnert sich dann mehr, in welchem Kontext sie einmal entstanden sind.


Doch das gilt in noch stärkerem Maße für Gesetze und Verordnungen, die bedauerlicherweise nicht mit einem Verfallsdatum versehen sind, sondern deren Entsorgung immer einer neuen (politischen) Entscheidung bedarf. Auch die gelten noch in Zeiten, die keine Ähnlichkeit mehr haben mit denen ihres Entstehens. Die Bedingungen sind anders, nichts stimmt mehr - und dennoch werden sie noch durchgesetzt ("enforced").


In Familienunternehmen bzw. in den Familien von Familienunternehmen ist die Folge solchen Nicht-Vergessens gut zu beobachten. Denn dort werden oft irgendwelche Verträge abgeschlossen, die dazu dienen, die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern zu regeln (z.B. Gesellschafterverträge). Zum Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung mögen sie noch stimmig gewesen sein, aber nach 10 oder 20 Jahren haben sich in der Regel die Verhältnisse verändert. Wenn nun der eine oder die andere seine/ihre verbrieften Rechte einklagt, so wird ein neues und ganz anderes Spiel eröffnet, das nichts mehr mit der gewachsenen Situation der Familie zu tun hat... Üblicherweise landet das dann alles vor Gericht.


Das ist einer der Gründe, warum in "normalen" Familien keine Verträge zwischen den Mitgliedern abgeschlossen werden. Sie ändern sich einfach nicht mit den Vertragsparteien und ihrer Beziehung.


Verfallsdaten wären also insgesamt etwas ganz Gutes bei allen schriftlichen Produkten, nicht nur bei Lebensmitteln...