VEB 2.0

In dieser Woche hatte ich ein Gespräch mit einem gut informierten Journalisten aus Hannover (obwohl sein Wohnort zugegebenermaßen nicht wirklich was zur Sache tut, muss ich doch ab und zu was Gutes über Hannover publizieren; wer macht das denn ausser mir?) zum Thema Familienunternehmen. Wir kamen, wie das so üblich ist, vom Hölzchen auf's Stöckchen und landeten schließlich bei der Frage, ob das Modell des Familienunternehmens nicht auch ein Vorbild für Staatsbetriebe sein könnte.


Dass Familienunternehmen in ihrer Qualität sehr widersprüchlich zu bewerten sind, ist klar. Man braucht nur über die Bank Sal. Oppenheim in der Zeitung zu lesen. Hier wurden offensichtlich die Partikularinteressen einzelner Familienmitglieder über die Überlebensinteressen des Unternehmens gestellt. Auf der anderen Seite ist die Überlebenszeit von Familienunternehmen im Durchschnitt länger als von Nicht-Familienunternehmen. Auch ihre Profitabilität kann sich sehen lassen.


Das Management der Grenze zwischen Familien und Unternehmen ist hier das Hauptproblem. In guten Familienunternehmen gelingt es, die Familie vor dem Unternehmen zu schützen und das Unternehmen vor der Familie. Beide können so gegenseitig Nutzen füreinander stiften. Das Bedarf intelligenter Regeln und entsprechenden Managements.


Das Grenzmanagement ist auch das Problem von Unternehmen im Staatseigentum. Denn die Versuchung ist groß, "verdiente" Parteifreunde dort auf Posten zu deponieren, für die sie nicht die fachlichen Qualitäten haben (man kann ja nicht alle nach Brüssel schicken). Dass das nicht so sein muss, zeigt m.E. VW (obwohl dort die Weste auch nicht ganz sauber ist, wenn man an die gemeinschaftlichen Freudenhausbesuche in Brasilien denkt - aber es waren wenigstens keine Politiker, die da ihre Freude hatten). Wenn Unternehmen nicht nur Profit erwirtschaften müssen, sondern darüber hinaus auch noch soziale Infrastruktur-Funktionen zu erfüllen haben - wie bei der Post, der Bahn, der Müllabfuhr, dem Elektrizitätswerk, der U-Bahn etc.), dann macht es durchaus Sinn, dass der Staat, die Gemeinde, das Land usw. in der Eigentümerrolle bleibt und so seine über den finanziellen Gewinn hinaus gehenden Interessen sichert. Als Privatmensch verkauft man ja auch nicht seine Badewanne (Küche, Bett, Klo) und least sie dann für teures Geld zurück. Das wäre schon ökonomisch nicht so sehr schlau, man würde sich außerdem noch abhängig machen vom jeweiligen Eigentümer und seinem meist ja schlechten Geschmack...


Es geht also darum, von erfolgreichen Familienunternehmen zu lernen und Modelle der Governance staatseigener Betriebe zu entwickeln. Und sie dürfen - wie Familienunternehmen - natürlich auch keinen Schutzraum durch ein Monopol besitzen, der ihnen den Wettbewerb mit Konkurrenten erspart.


Mein hannoverscher Gesprächspartner hat für dieses Modell den Namen "VEB 2.0" vorgeschlagen.