Utopie 5: Der Online-Arbeiter

Heute ein Beitrag zur Lösung der Problematik auf dem Arbeitsmarkt. Mit dem hier skizzierten Modell müsste es möglich sein, innerhalb kürzester Zeit mehrere Millionen Arbeitsplätze zu schaffen und Vollbeschäftigung zu erreichen. Etwas längerfristig ist dies auch im globalen Maßstab erreichbar.


Grundlage dafür sind mehrere, bereits heute beobachtbare Trends:


* Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft: immer mehr Menschen sind damit beschäftigt, direkt etwas für andere zu tun, immer weniger sind für die Erzeugung materieller Güter notwendig. Eine riesige "dienstleistende Reservearmee" (z.Z. arbeitslos) steht bereit, die Nachfrage allerdings fehlt.


* Verschmelzung von Sozialleistungen und Niedriglohnsektor: Über Hartz IV und Ein-Euro-Jobs ist kaum noch zu unterscheiden, wo Transferleistungen aufhören und wo bezahlte Arbeit beginnt. Rein volkswirtschaftlich gesehen dürfte sich die Grenze auf der Höhe der Lohnsätze in Niedrigstlohnländern einpendeln, was gar nicht so weit weg von dem einen Euro ist.


* Die Frage, was bezahlte Arbeit ist und was nicht, ist ohnehin ein rein soziales Konstrukt und raschen Wandlungen unterworfen. Ein schönes Beispiel sind die Kofferträger auf den Bahnhöfen. Vor drei Generationen waren sie völlig selbstverständlicher Teil der Bahnhofslandschaft, der heutige Versuch, daran anzuknüpfen, stösst eher auf Schwierigkeiten.


Dies sind die wirtschaftspolitischen Hintergründe. Jetzt ein rascher Schwenk auf einen ganz anderen Bereich, auf die Lösungstechnologie: Online-Spielwelten wie beispielsweise "Ultima Online" oder viele andere Fantasy-, Science-Fiction, Mittelalter- oder sonstige virtuelle Universen, in der Fachsprache [MMORPGs](http://de.wikipedia.org/wiki/MMORPG) genannt. Auch hier sind mehrere Trends festzustellen:


* Diese Spiele erleben derzeit inhaltlich und technologisch eine rapide Entwicklung, immer mehr Menschen mit hinreichenden Zeitreserven und/oder Suchpotenzial lassen sich involvieren, da die Welten zunehmend perfekter wirken.


* Interessanterweise bilden sich schnell auch Schnittstellen zur wirklichen Welt: bei Google werden bereits seit längerem virtuelle Grundstücke, Waffen, Dracheneier etc. etc. aus diesen Spielen gehandelt - zu echten Preisen in echten Währungen!!! Es findet also eine Verknüpfung der realen Volkswirtschaft mit den virtuellen statt. Einzig relevanter Faktor: die Relation von Angebot und Nachfrage, ganz wie im wirklichen Leben.


* Es gibt Berichte über Firmen in Niedrigstlohnländern, wo hunderte von angestellten Online-Spielern den ganzen Tag nur damit beschäftigt sind, Spieler-Charaktere zu schaffen und virtuelle Leben zu führen. Die dabei gesammelten Punkte werden dann von den Firmen in realiter verkauft, von den realen Erträgen finanziert sich das ganze Unternehmen und die Löhne der Online-Arbeiter.


Es stellt sich die nahe liegende Frage: warum dieses Modell nicht offiziell bei uns importieren und als "Arbeitsdienst" deklarieren? Für jeden Bundesbürger, der nicht mehr am regulären Erwerbsleben teilnehmen kann (oder will - völlig neue Karrierechancen tun sich auf!), dürfte sich ein geeignetes Setting finden oder entwickeln zu lassen, in dem er sich dann virtuell verwirklichen kann. Der Unterschied zu Karrieren in Vereinen oder ähnlichem ist nicht allzu groß, die intrinsische Motivation dürfte potenziell hoch sein.


Dabei muss im Auge behalten werden, dass die Teilnahme an den Spielen kein Selbstzweck darstellen, sondern als echte Dienstleistung für andere begriffen werden müssen. Diese anderen, das wären die restlichen 20% der Bevölkerung, die noch richtige, hochbezahlte Jobs erledigen, die meist mehr als 40 Stunden arbeiten, und denen dann die Zeit fehlt, sich zu Entspannungszwecken in mühsamer Kleinarbeit eine eigene Online-Figur zu entwickeln. Sie kaufen sich einen Helden, einen König o.ä. - für relativ teures Geld, denn dahinter stehen ja Mannjahre an Online-Spielarbeit.


Dies führt natürlich zu höchst interessanten sozialen Entwicklungen und Verwerfungen, die sich sicher trefflich systemtheoretisch beobachten lassen. An dieser Stelle möchte ich allerdings noch nicht näher darauf eingehen.