Unvollkommene Chefs und Familienunternehmen

Aufstellungen von Arbeitsverhältnissen und Organisationen liegen heute hinter mir. Einige Grundzüge davon:

Ein gibt ein unlösbares Dilemma von Mitarbeitern mit ihren Chefs: Chefs sind unvollkommen. Bei entsprechendem Temperament und Hintergrund bringt das Mitarbeiter dauerhaft in Stress und Konflikte.

Schaut man mehr in die Tiefe, dann ist oft ein Teil des Problems (natürlich gibt es auch den rein sachlichen!) ein alter, ungelöster Konflikt mit den – ebenso – unvollkommenen Eltern. Erst wenn jemand mit den Eltern in Frieden kommt, kann er auch damit in Frieden kommen, dass Vorgesetzte unvollkommen Menschen sind – wie er selbst auch.

Manchmal reicht allerdings schon die Einsicht, dass am Arbeitsplatz eine Verwechselung mit der eigenen Familie vorliegt. Diese Einsicht kann in einer Aufstellung mit dem Satz ausgedrückt werden: „Du gehörst nicht zu meiner Familie. Du bist nur mein Vorgesetzter am Arbeitsplatz – mehr nicht.“


Wenn jemand sich als Mitarbeiter nicht von seinem Vorgesetzten oder auch Kollegen genügend geachtet fühlt, dann ist oft die entscheidende Frage an ihn: „Achtest du denn den Chef oder die Kollegen?“ (Nach meiner Erfahrung meist nicht. Jemand bekommt dann die Missachtung zurück, die er ausstrahlt.)


Dann die Aufstellung eines typischen Problems eines kleinen Familienunternehmens, das wir als Fall konstruiert hatten. Der Vater hat die Werkstatt gegründet, sich dann zur Ruhe gesetzt, und dem Sohn das Unternehmen übergeben. Aber er ist dort noch tätig und es kommt immer wieder zu Konflikten. Stellvertreten wurden Vater, Sohn, die Werkstatt und die zwei mitarbeitenden Ehefrauen, die aber bei der Lösung weniger ins Gewicht fielen.

Zunächst stand das Unternehmen im Fokus aller, es war der Mittelpunkt der ganzen Familien. Zur Lösung war es wichtig, dass die Familienmitglieder miteinander Kontakt aufnahmen, sich überhaupt erst einmal wahrnahmen. Wichtig war dann der Dank an das Unternehmen, dass es den Lebensunterhalt sicherstellte. Aber – „du bist nur die Werkstatt“.

Überraschend war die Angst des Sohnes, etwas falsch zu machen vor den gestrengen Augen des Vaters. Der Vater vertrat: „Ich urteile streng und denke, dass ich das einzig Richtige weiß.“ (Auch das scheint sich mir wie ein roter Faden durch Männergenerationen zu ziehen.) Der Sohn fühlte sich sehr klein. Erst als der Vater ihm das Vertrauen aussprach, blühte er auf. Der Vater konnte sich dann von der Werkstatt zurückziehen. Dennoch spiegelte der Stellvertreter der Werkstatt, dass noch etwas ungelöst war.

Was noch anzusprechen war: Der Rückzug des Vaters erinnerte an den Tod und die Vergänglichkeit. Ein großer Schmerz kam darüber im Sohn auf. Erst als der ausgedrückt war, konnte er mit dem Übergang der Werkstatt an ihn selbst in Frieden kommen.


Es ist eine große Leistung, etwas an Nachfolger zu übergeben und sich allmählich zurückzuziehen. Wie schwierig das ist, führen Unternehmer und Politiker in der Öffentlichkeit immer wieder vor Augen.