Unter sich lassen...

Auf meinen gestrigen Beitrag, der offenbar einen melancholischen Hauch hatte, habe ich viel ermunternden Zuspruch erhalten.


Danke.


Aber auch wenn es draussen grau ist und ich mir über die Absurdität dieses Blogs vollkommen klar bin, werde ich mich - keine Sorge - nicht davon abhalten lassen, hier weiterhin meinen Senf zu all dem, was in der Welt so passiert, zu geben.


Ich hatte mal einen Chef - wahrscheinlich wiederhole ich mich, aber das ist bei über 900 Texten kaum zu vermeiden, denn so viel habe ich ja nicht wirklich zu sagen - es war mein erster Chef in einer psychiatrischen Klinik, der schrieb sehr gern, und er war obendrein sehr eitel. Sein Oberarzt, ein abgeklärter älterer Herr, der während der Nazi-Zeit hunderte von Diagnosen seiner Patienten gefälscht hatte, um sie vor der Euthanasie zu schützen, sagte immer, wenn ein neues Paper unseres Chefs verteilt wurde: "Ach, hat er wieder unter sich gelassen?!" Dabei war nicht klar, ob er ein Fragezeichen oder ein Ausrufezeichen sprach. Der Ton war eher so, wie bei einem Erwachsenen, der die - sich hoffentlich irgendwann auswachsenden - Inkompetenzen und Inkontinenzen eines Kleinkindes kommentierte: nicht wirklich böse, etwas verwundert, aber auch nicht ernsthaft am Inhalt oder gar der Qualität dieser Absonderungen interessiert.


Seither habe ich alle Hemmungen, aber auch alle Idealisierungen, gegenüber dem Publizieren verloren. Ohne diese generelle Zuordnung zu individuellen Ausscheidungen hätte ich wahrscheinlich nie gewagt zu schreiben. Denn, wenn irgendjemand sagt, das sei alles Scheiße, was ich da produziere, so bin ich dagegen gefeit, denn es passt zu meinem Bild des Schreibens. Eine gute Kränkungsprophylaxe, nebenbei bemerkt.


Natürlich muss man schamlos sein, um zu publizieren, und in einem Format wie diesem erst recht. Aber was mich hier am Schreiben hält, ist, dass es ja eine - zumindest für mich - vollkommen neue und noch nicht vollkommen in ihrem Möglichkeiten ausgelotete Form von Texten ist, die so entstehen. Und da ich hier ja fast täglich was schreibe, haben sie zwangsläufig eine Auswirkung auf mein alltägliches Leben. Denn ich laufe etwas bewusster durch die Gegend. Nicht, dass ich dauernd auf der Suche nach Themen wäre, aber wenn irgendetwas Unerwartetes passiert oder ich aufmerksam werde - worauf auch immer -, so kommt fast automatisch der Gedanke: Das wäre ein paar Zeilen in der Kehrwoche wert. Leider vergesse ich das dann häufig, da ich mir keine Notizen mache, so dass ich oft später grüble: Da war doch was ganz Dolles, worüber ich schreiben wollte (- aber jetzt ist es weg, zu blöd)...


Schwierig würde es für mich hier, wenn ich immer etwas produzieren müsste. Aber: Wenn ich keine Lust habe oder mir nichts einfällt, dann schreibe ich eben entweder nichts oder darüber, dass mir nichts einfällt...


Trotzdem: Danke für die Ermunterung!