Unsere Katze

Mal etwas Erfreuliches. Nachdem wir unser Bauernhaus im Mai diesen Jahres bezogen, kamen nach und nach auch die Tiere zu uns. Zuerst Störche, dann Schwalben, ein Huhn das – wie wir 2 Wochen später erfahren hatten – dem Nachbarn entlaufen war und das wir sofort Gerda nannten, nach der Tiergeschichte „Ein Huhn haut ab“. Und schließlich eine ziemlich kleinwüchsige schwarze Katze mit Dauerschnupfen, der sich jetzt aber stark gebessert hat. Mir war gar nicht klar, dass man in unserer zersiedelten Landschaft noch so viele Tiere hautnah erleben kann. Wie sich relativ schnell herausstellte, war unsere Katze schwanger, äh trächtig. Das Schöne an Katzen im Gegensatz zu Hunden ist – so finde ich – dass man sie eigentlich nicht besitzen kann und dass sie sehr stark ihre Autonomie wahren. Mit der Unterwürfigkeit von Hunden habe ich dagegen so meine Probleme.


Wir alle fieberten schon dem Zeitpunkt der Niederkunft des Katzennachwuchses entgegen und schließlich – vor zwei Wochen – war es soweit: „Unsere“ sich selbst gehörende Katze fraß eines morgens nichts und zog sich dann schnell zurück. Am Abend stand sie wieder vor unserer Haustür, hatte einen guten Appetit und war ganz schlank geworden. Wir alle rätselten, wo die Katzenkinder denn nun seien, doch sie waren offensichtlich so gut vor uns versteckt, dass wir sie einfach nicht finden konnten.


Vor einer Woche dachten wir dann, unsere Katze hätte ihrem Nachwuchs den Garaus gemacht, weil sie fast ständig in unserer Nähe war und sich deswegen ja nur sehr spärlich – wenn überhaupt – um ihre Katzenbabys kümmern konnte. Sie tat vermutlich vor uns so, als hätte sie keinen Nachwuchs. Dann vor drei Tagen, nachdem sie ein leckeres Ei fürs Fell serviert bekommen und es mit Genuss verspeist hatte, miaute sie mich an und bedeutete mir unmissverständlich, ich solle ihr folgen. Von wegen dass Tiere nicht sprechen könnten!! Unsere Katze sprach jedenfalls sehr deutlich zu mir. Sie ging zu einer Stalltür und schaute sich immer wieder nach mir um, ob ich ihr auch folgte. Doch leider fiel ich dann an der Stalltür schwer zurück, denn sie schlüpfte durch eine kleine Lücke zwischen den Türlatten, da passte ich natürlich nicht durch, sondern musste mir erst den Schlüssel besorgen und als ich endlich aufschloss, war sie verschwunden. Meine Söhne und ich suchten den ganzen Heuboden ab: keine Katze und keine Katzenbabys weit und breit.


Am nächsten Tag habe ich dann die Initiative ergriffen und wollte unsere Katze animieren, mir doch nun endlich ihre Jungen zu zeigen, doch sie ging überhaupt nicht darauf ein und ich ärgerte mich über diesen offensichtlichen Fall von Katzenalzheimer und schimpfte über das Spatzenhirn einer Katze, die sich nun nicht mehr daran erinnern konnte, dass sie mir ihre Jungen zeigen wollte. Doch heute war es soweit: Nach dem Essen miaute sie mich wieder an und diesmal entdeckten wir Katze und Katzenkinder, die wohlauf waren. Respektvoll ließen wir sie aber jetzt noch in Ruhe. Ich jedenfalls freue mich schon, so ein kleines Katzenbaby in meinen Händen halten zu können.


Nach diesem Vorgang bestätigte sich für mich meine Überzeugung, dass so hoch entwickelte Säugetiere wie beispielsweise Katzen nicht nur denken und im Sinne von eindeutiger und sinnhafter Kommunikation sprechen können, sondern dass sie ein – wenn auch vielleicht rudimentäres – Ich-Bewusstsein haben. Wenn man diese Begebenheit in all ihren Facetten analysiert, dann wird schnell deutlich, welch hochkomplexen Vorgänge sich in diesem kleinen Katzenhirn abgespielt haben mussten, die mit so einem schäbigen Konstrukt wie „Instinkt“ überhaupt nicht zu fassen sind:

Unsere Katze versteckte zunächst ihre Jungen vor uns und ließ sich auch nicht anmerken, dass es überhaupt einen Nachwuchs gab. Die Gefahr für ihre Jungen war für sie noch zu groß. (Die Bauern in der Gegend sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Population von Katzen begrenzt zu halten. Sie prahlen – für mich ziemlich unverständlich – damit, wie leicht es ihnen fällt, den erst ein paar Tage alten Katzenjungen den Hals umzudrehen.) Dann erst 10 Tage nach der Geburt ihrer Kinder und nach einem köstlichen Essen muss sie so weit Vertrauen geschöpft haben, dass sie den ersten Versuch wagte, uns ihren Nachwuchs zu zeigen. O.K. dieses Bedürfnis hatte sie zwischenzeitlich vergessen gehabt, doch es meldete sich relativ schnell wieder. (Natürlich sind das alles Hypothesen. Aber Instinkt?? Lächerlich!!!)


Ich konnte noch nie die scheinbar wissenschaftlich immer wieder belegte vermeintliche Tatsache von der so außerordentlichen Überlegenheit der Menschen allen anderen Tierarten gegenüber teilen. Ich halte diese wissenschaftliche „Tatsache“ für ein anthropozentrisches Wirklichkeitskonstrukt, in dem kaum Wahrheit drinsteckt. Mittlerweile scheinen neuere und offensichtlich „fairere“ Untersuchungen an Säugetieren, eher meine Überzeugungen zu teilen und zwar nicht nur hinsichtlich eines Ich-Bewusstseins, sondern auch hinsichtlich eines entwickelten moralischen Bewusstseins (vgl. die Zeitschrift GEO zum Thema "Sünde und Moral) der Fähigkeit mit Humor zu reagieren und täuschen zu können.


Doch aus welchen Gründen haben Menschen immer wieder versucht mit den größten Anstrengungen zu beweisen, wie dumm, instinkt- und automatenhaft Tiere funktionierten im Gegensatz zur selbsternannten „Krone der sogenannten Schöpfung“, die es geschafft hat, tausende von Tierarten auszurotten? Indem Menschen Tiere zu Sachen herabwürdigten, gelingt es natürlich viel leichter, ein Schuldgefühl beim Abschlachten von ihnen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das ist meines Erachtens der entscheidende Grund für den tödlichen Chauvinismus des Menschengeschlechts: Eine Tierart systematisch ausgerottet. Was denn? Wir haben doch nur aufgeräumt!


Fazit:

Die vermeintliche Überlegenheit des Menschen soll das Schuldgefühl in Schach halten, das bei der Konfrontation mit dem, was Menschen den Tieren angetan haben und immer noch antun, sonst unweigerlich entstehen würde.


Wenn man die Menschen liebt, muss man - im gesellschaftlichen Kontext - hart mit ihnen ins Gericht gehen. Andernfalls haben sie kaum eine ÜberlebensChance.


Im therapeutischen Kontext steht für mich dagegen die Wertschätzung im Vordergrund. Oder vielmehr eine gute Beratung steht oder fällt mit der Wertschätzung - den Kund/inn/en und - nicht zu vergessen - mir selbst gegenüber. Verurteilen ist deswegen im Therapiesystem vollkommen fehl am Platz.