Unruhe –oder: Wo setze ich den Systemkontext?

Jeden morgen steh ich auf und ein neuer Tag liegt vor mir. Ich möchte gute Erfahrungen machen, selber anderen gute Erfahrungen ermöglichen und soweit das möglich ist soll diese große Welt am Abend immer noch freundlich, oder noch freundlicher aussehen.


Nun weiß ich um manche der (vorsichtigst ausgedrückt) „unfreundlichen“ Bedingungen zu leben, die viele Menschen haben. Manche Menschen haben schwere Rucksäcke zu tragen, andere etwas leichtere. (Aber nach einschlägigen metaphorischen Geschichten, würde sowieso keiner seinen Rucksack tauschen wollen)


…. Und dann entsteht meine Frage an die systemische Sichtweise: Wenn ich nun therapeutisch, beratend, supervisorisch, heilend mit jemandem arbeite… wenn ich ihm nun begleite auf dem Weg z.B. wieder arbeitsfähig und belastbar zu sein … wenn er dann wieder in seine Kontexte eintritt…


… und wenn dieser Kontext z.B. die Telekom ist, und er zu den 32.000 zu entlassenden Mitarbeitenden gehört, … und wenn er ermutigt und an sich selbst glaubend auf Jobsuche geht … und über Hartz IV letztlich bei einem 1 Euro-Job ankommt (…weil arbeiten besser ist als nicht arbeiten), dann drängt die Frage an mich heran (ich weiß, dass sie von innen kommt): Ist meine Begleitung womöglich eine Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse?


Wo kommt die Mitverantwortung von denen in´s Spiel, die heilen, helfen, stützen und begleiten? Wann, wo, wie beginnt es, die Bedingungen für die Notwendigkeit solcher Arbeit zugunsten der Betroffenen zu verändern?


Obwohl im Großen und Ganzen recht zufrieden, nagt dieses Gefühl bisweilen an mir (auch das kommt von innen): „In einem sehr weit gesetzten Kontext reproduzierst und stabilisierst du die als ungerecht und krankmachend erlebte gesellschaftliche Wirklichkeit.“


Ich bin froh, dass ich dieses Gefühl spüre, zugleich beunruhigt…