Über Versöhnung und Hitler

Zum Abschluss meiner Blog-Woche darf es noch einmal um die großen Themen gehen. Dabei zehre ich noch von dem Kongress Ende April in Würzburg, durch geführt von Albrecht Mahr, bei dem es insbesondere um Versöhnung von bei internationalen Konflikten ging.


Ich führte dort einen Workshop über „Hitler in uns“ durch, den ich mit der provokativen Aussage vorstellte: „Der Weg zum Weltfrieden führt nicht über Mutter Teresa, sondern durch Adolf Hitler hindurch.“ Mir scheint: Erst wenn wir den Samen zum Täter, zum Grausamen und „Unmenschlichen“ in uns selbst entdecken und annehmen als Teil, der zu jedem Menschen gehört, kommen wir zu innerem Frieden. Wer das Böse außerhalb bekämpft, wird selber böse- (Es genügt dazu, sich in der Weltgeschichte umzuschauen.) Nur durch inneren Frieden kann dauerhafter äußerer Friede entstehen.


Im Workshop selbst war das Wesentliche der Austausch, angeregt durch Fragen, um den Blick auf sich selbst zu richten. Am Schluss kam eine angeleitete innere Bilderreise: Stelle dir Hitler vorstellen und seinen Gegenpol – lass dann beide sich begegnen und Kontakt aufnehmen – geh schließlich mit ihnen einen hohen Berg hoch und sich der Sonne nähern.

Die überraschenden Bilder einer Teilnehmerin will ich hier wiedergeben. Ihr sei sofort klar gewesen, dass der Gegenpol von Hitler eine Frau sein müsse. Mutter Teresa tauchte auf. Als sie sich mit Hitler begegnete, sagte dieser. “Ich kämpfe für eine bessere Welt.“ Mutter Teresa antwortete: „Ich auch.“ Dann stiegen beide auf den Berg. Der hatte oben auf der anderen Seite einen Abgrund. Als Hitler davor stand, gab Mutter Teresa ihm einen Stoß, so dass er hinunterstürzte. – Verrückt, nicht wahr?


Was das Thema Versöhnung angeht, faszinieren mich die Erfahrungen in Südafrika mit der Wahrheitskommission, bei der sich Täter und Opfer des Apartheid-Regimes begegneten. Wer als Täter offen und reuig über seine Taten berichtete, wurde nicht bestraft. Die südafrikanische Psychologin Gobode-Madikizela. (Autorin von: „Das Erbe der Apartheid – Trauma, Erinnerung, Versöhnung) berichtete. Im Heft 19 des „Spiegels“ war dann ein Interview mit ihr abgedruckt.


Ich zitiere aus dem Interview. Frage: Bedeutet Vergebung, nicht letztlich Untaten ungeschehen zu machen? Antwort: Nein. Schuld lässt sich nicht abwaschen. Wer sagt: „Ich vergebe dir“, der sagt damit vor allem: „Ich bin fähig zu leben, ohne länger an dich gefesselt zu sein, ohne dass du länger hass in mir weckst.“ Wer vergibt, der befreit sich von Hassgefühlen. Und zugleich öffnet er die Tür zu einer Beziehung zum Täter als einem anderen menschlichen Wesen. ... Wer nicht vergibt, wird seinen Hass nie verlieren. ... Wut, ja sogar Rachegefühle sind normal und notwendig. Ich propagiere keineswegs die Unterdrückung dieser Empfindungen. Nur ihre dauerhafte Aufrechterhaltung ist ungesund.


Wenn ich mich mit diesen Gedanken und Erfahrungen auseinandersetze, taucht in mir die Frage auf, ob nicht unser ganzes Strafrecht überwiegend auf archaischen Prinzipien beruht, die wenig oder keine Heilung schaffen. Ob es nicht Zeit ist, nach anderen Wegen zu suchen?

Die neue Richtung schlägt der „Täter-Opfer-Ausgleich“ ein, bei dem sich nach einer Straftat Opfer (wenn es will!) und Täter begegnen. Es bietet Opfern und Tätern die Möglichkeit, mit Hilfe eines Vermittlers ihren Konflikt außergerichtlich zu regeln und sich über eine Wiedergutmachung zu verständigen.


Ich zitiere dazu von der Homepage des Servicebüros für Täter-Opfer-Ausgleichs (www.toa-servicebureo.de)

Opfer von Straftaten wollen hinsichtlich des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten werden. Aber sie wollen nicht nur informiert werden. Opfer von Straftaten wollen auch reden, fragen, ihren Ärger kundtun sowie ihren Interessen an Wiedergutmachung und Schadensersatz Ausdruck verleihen. Über einen möglichen spontanen Affekt hinaus ist das auf den Täter bezogene Bestrafungsbedürfnis von Opfern nach dem Ergebnis von Befragungen eher gering.


Für einen Menschen, der eine Straftat begangen hat, sollte es Wege und Möglichkeiten geben, seine Einsicht in begangenes Unrecht durch Wiedergutmachungsleistungen und Entschuldigung zum Ausdruck zu bringen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Täter bereit sind, sich mit ihrer Tat in der persönlichen Begegnung mit dem Opfer auseinanderzusetzen, obwohl ihnen diese Entscheidung in der Regel nicht leicht fällt.


Gegenwärtig wird die Praxis des Täter-Opfer-Ausgleichs vorrangig von engagierten Staatsanwälten und Richtern und insbesondere von vielen in der Praxis stehenden und um Fallzuweisungen werbenden Mitarbeitern von Täter-Opfer-Ausgleichs-Einrichtungen getragen. Der Fortbestand des Täter-Opfer-Ausgleichs hängt vorwiegend an deren Ausdauer bei Überzeugungs- und Motivationsarbeit.