Über Männer und Frauen und über die Opferrolle

Heute verlagerten sich Inhalte in unserer Weiterbildung zu Aufstellungen des Verhältnisses zwischen Männer und Frauen. Ein spezielles Thema war die Opferrolle. Es macht vor allem Trennungen sehr schwierig, wenn einer sich als Opfer fühlt. Opfer fühlen sich unschuldig und sie fühlen sich im Recht, wenn sie böse sind. Es gibt manchmal nichts Gnadenloseres als diejenigen, die sich als Opfer fühlen.


Erst wenn jemand die Opferrolle verlässt, ist ein guter Abschied möglich. Dann sind beide ebenbürtig und in vergleichbarer Weise verantwortlich. Dazu hilft in Aufstellungen oft der Satz: „Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung an der Trennung und deinen Teil lasse ich dir.“


Was aber, wenn jemand diese Verantwortung nicht sieht oder nehmen will? Immer wenn ich Mitgefühl mit einer Partei bekomme und innerlich denke „der oder die Arme!“, gebe ich dem Stellvertreter des Bedauernswerten die Sätze:

„Ich habe dich als Partner gewollt. Ich habe dich als Partner bekommen. Ich übernehme die Verantwortung für meine Wahl und trage die Folgen.“ Und oft füge ich dazu „Etwas passt zwischen uns beiden.“ Denn auch wenn einer äußerlich der oder die Bedauernswerte ist, gibt es im Untergrund einen Ausgleich oder etwas, was gewollt und gesucht wird.


Warum sucht jemand das Leid oder auch die Opferrolle? Aus Verbindung mit seiner Familie. Wir hatten heute in der Aufstellung eine Frau, die partout nicht aus der Opferrolle wollte und ihre Sicht der Dinge in dem Satz ausdrückte: „Alle Männer sind schlecht und man kann ihnen nicht raune.“

Erst als sie dazufügte: „Und damit bin ich mit meiner Mutter und den Frauen hinter mir verbunden“, konnte sie ihren Mann anders wahrnehmen. Es gibt diese Verbindung im gleichen Geschlecht, die wohl über viele, viele Generationen reicht – bei den Frauen wie bei den Männern. Erst wenn diese Verbindung gesehen wird, kann man (oder frau) sich ein Stück weit davon lösen.


Ein Opfer entdeckt sich auch dann als ebenbürtig, wenn es in sich die gleiche Wut entdeckt wie beim anderen und die Waffen sieht, die es insgeheim nutzt. Denn hier sind sich Männer und Frauen ebenbürtig.

Ein häufiges Verhalten der Männer in Auseinandersetzungen ist der äußere oder innerliche Rückzug. Männern wird der Streit mit einer Frau zu viel und sie machen dicht. Bedauernswert?

Männer wissen aber auch, dass dieses Verhalten Frauen auf die Barrikaden treibt. Wenn Männer sich hier also nicht als Opfer definieren, sondern (auch) als Täter, dann ist eher Verständigung möglich. Also: „Ich ziehe mich zurück und das ist meine Waffe.“

Eine große Waffe der Frau sind die Kinder. Im Streit werden Kinder oft benutzt. Hier ist die Frau die Stärkere. Es sind dann „ihre“ Kinder und der Mann wird weggedrängt. Erst wenn die Frau dazu steht, dass das ihre Waffe ist, kann sie dem Mann (der vielleicht als seine Waffe nicht gezahlte Alimente benutzt) als gleich stark gegenüber treten.


Damit entsteht Verbindung. Und damit kann der Schmerz über die Trennung, den Verlust der Beziehung und über all die enttäuschten Hoffnungen bei beiden auftauchen. Das kleine Wort dafür in einer Aufstellung ist „Schade“.