Traum, Sinn und Sinnlichkeit

Angeblich, sagen die Schmerzforscher, träumen wir schmerzfrei, nämlich wir erwachen, wenn der Schmerz käme; im Traum erleben wir nur die nahende Verwundung oder das drohende Ende. Selbst scheinbare Ausnahmen wie die Verkrampfung aus Angst, die als Spannungskopfschmerz im Wachwerden dann peinigt, ist nicht wirklich geträumter Schmerz, denn im Traum fand nur die Vorbereitung der Schmerzen statt, das Schmerzphänomen selber war dann Teil des Wachseins.


Anders das Gegenstück zum Schmerz, die Lust. Der Traum-Orgasmus wird noch als Teil des Traums gefühlt, das Nachpulsen dann geleitet in die Wachzone hinein. Vielleicht (vielleicht, vielleicht, vielleicht) ist das ja wahr, dass der Lust ein anderes Potenzial zukommt als dem Schmerz, und das der gefühlte Schmerz so auch da nur sein Revier hat, wo ich mein Leben verändern kann und muss, nicht aber da, wo sich die Zonen des Innen und Außen durchweben (aber das ist ein bloßes Sinnieren, mehr nicht.)


Und ich will mich auch nicht auf irgendwas festlegen, denn als Schmerztherapeut ist mir der Wert des Schmerzes nur allzu vertraut. Bisher hatte ich auch gar keinen Grund, an den Daten der Schmerzforscher zu zweifeln (jedenfalls hier nicht). Seit vorletzter Nacht aber ist das anders, denn ich träumte mich selber im Schmerz, einem harmlosen zwar, aber einem spürbaren, keineswegs kurzen.


Wie läßt er sich fassen, dieser geträumte Schmerz? Meine Hüfte, sie brannte wie aufgescheuert, etwa so, als trüge man nur ein kurzes T-Shirt (ich glaube, das trug ich auch), aber einen harten Gürtel im Bund, so dass kein schützender Stoff die Hüfthaut schirmt und sie langsam wundgerieben wird. Ein Brennen also im Traum, und kein Gedanke an Wachwerden, mehr eine Irritation (so als könne der Traum selber nicht glauben, was er da produziert). Dann ein prüfender Blick, zur Hüfte hinunter, erst ziemlich spät, wohlgemerkt, und siehe, da läuft tatsächlich Blut, ein ganzes Netz von Blut sogar, rinnt wie gemalt über die nun nackte Zone hinunter, und erst in diesem Moment wache ich auf, nunmehr schmerzfrei.


Aber nicht ohne Irritation. Ich erinnere ein Tasten, aber da fühlt sich nichts wund an, dann einen Blick an mir hinab, wie ich da liege, und es ist wirklich nicht das kleinste Rosa zu sehen auf der Hüfte, anders etwa als nach einer Hitze- oder Schmerzsuggestion, die ein Körperteil auch physisch sichtbar reizen kann.


Dafür ein bleibendes Erinnern. Auch jetzt, beim Schreiben, scheint mir das Blutnetz aufgemalt zu sein, und inzwischen kann ich es identifizieren als Teil des Bildes einer befreundeten Malerin, für deren Atelier ich eine Lesung vorbereite. Auch gab es einen Konflikt im Traum, und bei allem siegreichen Gefühl wird eine Schramme mir bleiben davon, soviel ist klar. Endlich eine Gefühlsbegegnung, tief und - genau - einschneidend, wie die leidenschaftlichen Dinge eben nicht "ungezeichnet" lassen und sich eintätowieren in die seelische Haut.