Tom Kummer

Bei der Fußball-Europameisterschaft, die morgen beginnt, werden wieder unendlich viele Journalisten versuchen, den Spielern näher zu kommen, um für ihre Leser und Hörer ein Bild von ihnen zu zeichnen, das möglichst realistisch ist. Dazu werden jeweils Gruppen von Journalisten für etwa 20 Minuten mit einem Spieler zusammen in eine Kabine gesperrt, um ihre Fragen los zu werden. Dass dabei kein sonderlich intimes Gespräch entstehen kann, ist offensichtlich. Aber das ist auch nicht der Sinn dieses Verfahrens, sondern es dient allein der PR, und die Veranstalter haben ein Interesse, diese möglichst gut zu steuern (zu kontrollieren). Da wäre die Nähe zwischen Journalisten und Spielern nur ein Risikofaktor.


Die Beschreibung dieser Situation kann man heute in einem Artikel der taz lesen, verfasst von Tom Kummer. Lange Zeit war Tom Kummer der Starjournalist der Süddeutschen Zeitung, der in Hollywood einzigartige Interviews mit den dortigen Stars machte. In ihnen schien eine ungeahnte Nähe auf, man lernte die so fernen und doch so nahen Persönlichkeiten als Menschen kennen...


Allerdings wurde Tom Kummer irgendwann bei der Süddeutschen rausgeworfen, weil sich herausstellte, dass er nie die vermeintlichen intimen Sitzungen mit den Stars hatte, sondern bestenfalls Mitglied solcher Busladungen voller Journalisten war, die den Stars vorgeführt wurden bzw. denen die Stars vorgeführt wurden. Seine großartigen Interviews waren also - wenn man so will - erfunden. Er selbst allerdings war der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion nicht so klar ist, wie unterstellt. Schließlich hätten einige der von ihm vermeintlich interviewten Stars beim Gegenlesen vor Rührung geweint: Endlich jemand, der sie versteht.


Und wahrscheinlich sind diese von ihm "gefälschten" Interviews ja wahrhaftiger als die inszenierten, dummen Frage-und-Antwort-Spiele von Pressekonferenzen.


Übrigens sollte niemand verpassen, das großartige Interview zu lesen, das Tom Kummer vor Jahren mit Carl Auer geführt hat. Auch Carl hat sich, wie ich aus erster Hand weiss, sehr gerührt gezeigt... (es sollte irgendwo auf der Auer-Website zu finden sein).