Tod, Frauen und Leben

24.1.2006


Hallo,

nun heute sollte es klappen, es gab Probleme mit dem Server, so dass ich meinen Beitrag gestern nicht schreiben konnte. Ich werde daher heute einige Gedanken, die ich gestern schreiben wollte, in die heutigen einflechten und freue mich, wenn Sie mich kontakten.


###Tod###


Das Jahr fing bei mir so an, wie es endete mit Nachrichten über den Tod von Menschen, mit denen ich lange Jahre private oder berufliche Wege zusammen gegangen bin. S. mit dem ich 23 Jahre zusammen in einer Supervisionsgruppe war, verstarb mitten in einem Beratungsgespräch. Mich hat dies tief erschüttert. Der Abschied auf der Beerdigung half als Ritual, aber es bleibt die Lücke, der Verlust. Und es bleibt das Intensivieren der Gedanken zur eigenen Endlichkeit. Das Erzittern vor solchen Nachrichten, auch vor denen über schwere Erkrankungen von KollegInnen und FreundInnen, der Schreck und gleichzeitig das Realisieren, mehr für das eigene Leben da zu sein, nicht zu warten bis.... Das Leben in jedem Tag mehr genießen und dennoch sich mit den Nickeligkeiten des Alltags befassen müssen


Ich merke wie fröhlich mich immer wieder mein Abschied aus dieser Verbandsarbeit (DAF und DGSF) stimmt. 14 Jahre (davon 7 Jahre Vorsitzende) Engagement mit Visionen und Ideen, sie waren in vielem gut, in nicht wenigem harte Arbeit, mit Richtungskämpfen, Macht- und Einflussversuchen versehen, die zermürben. Vieles erreicht, aber nun genug. Jedoch nicht den Mund halten zu Entwicklungen, die ich nicht gut heißen will, aber das eigene Leben wieder mehr genießen, die Zeit für uns ist nicht unendlich.


Geduld: es kreist der leise Zeiger,


und was verheißen ward, wird sein:


Wir sind die Flüstrer vor dem Schweiger,


wir sind die Wiesen vor dem Hain;


in ihnen geht noch dunkles Summen -


und sie bereiten auf die stummen


tiefen heiligen Hainen vor...


Rilke - für mich ein Dichter, der mir Anregung und Freude ist.


###Frauen###


Gestern fuhr ich an einem Zeitungskiosk vorbei, Bildzeitungsschlagzeile zu Susanne Osthoff - implizierend sie habe mit ihren Entführern unter einer Decke gesteckt. Diese Medienhatz ist so was von widerlich .... Im Interview bei Beckmann (den ich selten sehe), hat sie mir sehr gefallen, aber auch verstanden, was mit einer unbequemen Frau in unserem Land schnell geschehen kann. Die Moralkeule... welche Frau kann ihr Kind.... und das Rückgrat, dass diese Frau ihren Weg gehen ließ. Ich freue mich darüber, dass sie für den Grimme-Preis vorgesehen ist.


Ich beobachte in meiner Arbeit oft, wie Frauen, die unbequem sind, die ein Rückgrat haben, abgewehrt, abgewertet werden, ihr Lebensstil fast als Angriff auf den eigenen erlebt und entsprechend versucht wird, sie einzunorden. Ich berate gerne solche Frauen, sie haben eine Vitalität, die zu sehen einfach Freude macht, in den Gesprächen werden ihre Sehnsüchte deutlich und ihr Bemühen, mit ihrem Engagement einen Platz zu finden, wo sie mit dem geachtet werden, für das sie sich einsetzen.


Am Sonntag hatte ich zufälligerweise im Fernsehen ein Feature zu Hannah Arendt - eine andere unbequeme deutsche Frau - gesehen. Ich kannte ihre Geschichte, habe einiges von ihr gelesen und bin immer wieder von ihr fasziniert. Ihr Mut zur politischen Inkorrektheit, ihr Bereitschaft unliebsame Einschätzungen auszusprechen, diese "Banalität" des Bösen zu thematisieren - ich glaube, sie würde das Wort "Gutmensch" auch benutzt haben, wenn sie es gekannt hätte. Und wie sie den Mut hatte, deutlich Positionen zu beziehen und sich klug gegen die Personifizierung von Konflikten verwahrte. Ihr Satz aus dieser berühmten Fernsehdiskussion "Dies ist ein Einwand gegen mich als Person, dazu kann ich nicht Stellung nehmen" - ist mir ein wichtiger Satz, ein guter Satz, den Frauen sagen können, wenn sie "eingenordet" werden sollen.


Frauen, die leiten, merke ich immer wieder, müssen sich in unserem Land viel mehr als in anderen - soweit ich es dort kenne, wie z.B. in Frankreich, England, Holland, Skandinavien und den USA - Ländern abstrampeln, wenn sie in eine Leitungsposition kommen wollen. Sie überlegen es sich auch lieber dreimal, ob es neben dem geringen finanziellen Mehr an "Schmerzensgeld" der Zuwachs an Macht und Einfluss wert ist - wobei ich diese zweifelnden Frauen auch dann oft frage, wie sie damit umgehen, wenn ihnen ein inkompetenter Mann vor die Nase gesetzt wird, der ihnen dann in ihre Arbeit hineinreden möchte.


Vor einer Weile las ich einen Zeitungsartikel in dem eine Französin, sich über die Probleme deutscher Frauen äußerte, wie z.B. dass die französischen Kinder offensichtlich nicht kaputter oder neurotischer oder was auch immer seien als andere Kinder anderer Industrienationen, obwohl sie von früh an in Krippe und Kindergarten sind. Den Begriff "Rabenmütter" gibt es ja auch meines Wissens nur im Deutschen.


Sie stellte die interessante These auf, dass Frauen - am meisten Akademikerinnen - einigen Ausläufern von Ideologien der Nationalsozialisten noch immer aufsitzen, die bis heute noch mit ihrern Ideen nachwirken, dass das Kind doch am besten von der Mutter aufgezogen werden müsse.

Interessant ist, dass ich die Überlegung dieser Französin bisher nirgendwo - so weit mir halt bekannt - in der Öffentlichkeit in größerem Ausmass diskutiert wird.


Wie übrigens auch nicht diskutiert oder wenigstens mal hinterfragt wird, wieso die meisten Bindungsforscher Männer sind - und die weiblichen AkademikerInnen - und vor allem Paar- und Familientherapeutinnen - dem damit oft verbundenen Mother-bashing nichts entgegensetzen. Ich hatte noch in meinem Studium gelernt, dass es keine Forschung gibt, die nicht interessengeleitet ist, also zu was dient eine Forschung, die mal wieder die Wichtigkeit vor allem von Müttern betont (und natürlich nicht vergißt - politisch korrekt - darauf hinzuweisen, dass diese wichtigen Bezugspersonen auch die Männer sein können) --- und die gesellschaftlichen Verhältnisse es gar nicht zulassen, dass dieses Bild real möglich ist.


Gestern in meiner Praxis haben sich wohl die LeiterInnen verabredet, die überlegen den Krempel hinzuwerfen. Sie fragen sich nicht nur, ob es das wenige Geld wert ist, sich so zu verausgaben und dennoch immer mehr in den eigenen Freiräumen der Gestaltung von Inhalten, Abläufen und Mitarbeitermotivierung beschnitten zu werden. Inzwischen gibt es Chefs, die vor so viel Souveränität Angst haben, sie befürchten, dass solche "Modelle" Schule machen. Vor wenigen Wochen hatte ich eine Einrichtungsleiterin beraten, die die Leiterin der kleinen Einrichtung war. Alle, die potentiell die Leitung machen konnten, waren durch, sie wollte auch nicht mehr, von außen konnte die Stelle nicht besetzt werde- und der Träger der Einrichtung ist ratlos, was er mit so "unergeizigen" Frauen machen soll. Diese Frauen steigen einfach aus, pfeifen ein freches Lied und wollen einfach nur noch ihre (Klienten-)Arbeit machen. Lieber "Frontschwein" sein, als sich morgens nicht mehr in den Spiegel schauen können.


Morgen möchte ich einiges über Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen und toten Kindern schreiben.


Noch ein Gedicht von Rilke:


Du mußt das Leben nicht verstehen,


dann wird es werden wie ein Fest.


Und laß dir jeden Tag geschehen


so wie ein Kind im Weitergehen


von jedem Wehen


sich viel Blüten schenken läßt.


Gute Nacht


Marie-Luise Conen