Terra Constructa

Hallo liebe LeserInnen,


liebe Reisende, willkommen zurück in einer teils aktuellen, mehr noch potentiellen Beschreibung von Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, über deren ateleogischen Sinngehalt noch angestrengt sowohl im Maschinenraum als auch in den Offizierskabinen der „Systemtheorie“ diskutiert wird.


Lassen Sie uns ein wenig anhand der drei Ebenen „phänomenal“, „kausal“ und „aktional“ über das hier Geschriebene und Ungeschriebene nachdenken. Beschrieben wurde anläßlich einer typischen Situation in der Beratung die Soziale Arbeit aus Sicht der postmodernen Theorie [hier postmodern-systemtheoretisch].


Phänomenal wurde erstens anhand der Beschreibung von Komplexität von Kommunikation aufgezeigt, daß die angestaubte Idee des gegenseitigen Verstehens in der Sozialen Arbeit eine normative Simplifikation darstellt, die die Helfer bei der Ausschöpfung ihrer beraterischen Möglichkeiten, Veränderungen in klientelen Systemen anzustoßen, über Gebühr belastet.


Zweitens sollte deutlich gemacht werden, daß professionelles Helfen nicht erst startet, wenn ein Fall schon vorliegt. Vielmehr werden zuerst in der Kommunikation Klienten generiert bzw. konstruiert, damit dann weitergemacht werden kann.


Drittens wurde beschrieben, wie [In-]Dividuen mittels Kommunikation soziale Systeme bilden. Diese entstehen auf unserer Folie nicht mehr aus einer Akkumulation von Rational-Choice-Handlungen heraus, sondern aus Erwartungen und Erwartungserwartungen [ad infinitum].


Kausal mäanderte die hiesige Beschreibung aus der Quell-Problematik von individuellen Verhalten heraus in das überaus weitläufige Delta aus sich selbst einschränkenden Verhaltenserwartungen sozialer Systeme. Dies richtet den sozialarbeiterischen Blick auf die Adressabilität von anschlußfähiger Kommunikation, z.B. in ihrer Sach-, Zeit und Sozialdimension.


Soziale und psychosoziale Probleme können nicht durch die rigide Isolation eines Verhaltenszusammenhangs, z.B. alleine der Politik, oder alleine individuellem Verhalten [Frau Solkowa] zu gerechnet werden, sondern entstehen per Kommunikation im sozialen System. Endet die Kommunikation, gibt es das Problem [auf einer sozialen Ebene] ebenfalls nicht mehr.


Aktional leite ich ab [weblogbedingt gerafft]: was kann besprochen werden, das später auch außerhalb des Beratungssystems Anschluß findet? Kann es von mir so besprochen werden, als ob nicht Frau Solkowa alleine am Tisch sitzt, sondern können die unsichtbaren, gleichwohl anwesenden (!) Anderen des sozialen Systems mit einbezogen werden? Last but not least: wie kann Herr Solkow sowohl im Jetzt als auch im Später des Prozesses einbezogen werden, dem wohl allgemeinhin das größte Problem zugerechnet werden wird?


Postmoderne Charakteristika dieser und ähnlicher Situationen sind weiterhin der Dissens als Startpunkt und Fixpunkt des Sprachspiels des Helfens, die Kontingenz dieses Prozesses und ableitbar daraus minimalinvasive Methoden der Sozialen Arbeit.


Die Zeit drängt: ich hoffe, ich konnte aufzeigen, daß Ihre, meine, so gut wie alle Probleme eben NICHT ihren Ursprung im Individuum haben, sondern in sozialen Systemen beobachtet, unterschieden --> also konstruiert werden.


Nun, der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten, so sagte man früher im Fußball [bei einer WM gilt das ja gerade manchmal nicht]. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann, so sage ich hier absichtsvoll zirkulär, um in das Finale der vorgängigen Synthesis von postmoderner Theorie und Sozialer Arbeit theoretisch einzumünden. Vielleicht ist er das aber auch als ein evolutionärer Hinweis darauf, daß sich viele Sachverhalte in der sozialen Welt nicht linear, hierarchisch oder gar eckig, sondern vielmehr rund und zirkulär erfassen lassen.


Sicher, die Fragen, die sich zukünftigen SozialarbeiterInnen bei derlei komplexen Beobachtungsverhältnissen zu Recht stellen, könnten so oder ähnlich lauten: „ Das alles müssen wir wissen, wenn wir einem Menschen helfen wollen?“ – Meine Antwort könnte sein: „Nein, aber vielleicht verspüren Sie Neugier, die Welt auf dieser Folie abzutasten. Vielleicht probieren Sie einfach mal aus, was diese Theorie mit Ihnen macht, wenn Sie was für den bzw. mit dem Kienten machen?“


Wir sind übrigens endlich angekommen. Die Schemen von Terra Constructa sind nun mehr am Horizont sichtbar: aber nicht im Sinne eines Bildes, sondern als Unterschied, der einen Unterschied macht.


Ich wünsche mir, daß wir darüber überall im Dialog bleiben, was wir beobachten, wenn wir Terra Constructa [unsere Welt]beobachten.


Ich verabschiede mich – autologisch auf eine ungewisse Zukunft hin -- von den Weblog-Seiten des Carl-Auer-Verlages und wünsche auch den LeserInnen und den Autoren weiterhin viel Erfolg.


Mit den besten Grüßen


Ihr Jan V. Wirth


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www.postmoderne-sozialarbeit.de

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