Telemachie und kein Ende

Liebe Leserin, lieber Leser,


nach einem 3/4 Tag Finanzverhandlungen im Rahmen eines EU-Projekts (Kolleginnen und Kollegen, überlegt Euch gut, bevor Ihr Euch auf so etwas einlasst) brummt mir dermaßen der Schädel, daß ich mich nicht in der Lage sehe, auf die erfreulicherweise eingegangen Kommentare zum Thema Fallvignette heute einzugehen - das wird auf morgen verschoben.


Heute soll es um was anderes gehen: um Väter. In den letzten Tagen kamen zwei Filme ins Kino, die auf je eigene Art mit diesem Thema zu tun haben: im einen Fall (Don't come knocking von Wim Wenders) wird ein Vater auf den Weg geschickt, um nach seinem Sohn zu sehen, im anderen Fall (Broken Flowers von Jim Jarmusch) geschieht ähnliches, der Verlauf ist jeweils verschieden, Solipsisten sind beide Protagonisten, Road Movies sind beide Filme. Daß der Jarmusch-Film um Längen den von Wenders überragt, sei hier behauptet, aber darum geht es mir an dieser Stelle garnicht. Sondern darum, daß seit der Odyssee die Suche nach dem Vater eine Art running gag in Literatur und Kunst ist. Bibliotheken lassen sich mit Büchern dazu füllen, belletristische wie wissenschaftliche. Derweil marschiert der mainstream der deutschen Familiensoziologie in genau die andere Richtung. Seit den 60er Jahren arbeitet man hier daran, den Vater zu eliminieren und das System sozialisatorischer Interaktion auf die Mutter-Kind-Dyade einzugrenzen. Im selben Zuge soll nun auch der Familienbegriff abgeschafft werden. Interessant ist bei dieser Diskussion, daß, falls Therapeutinnen und Therapeuten hinzu gezogen werden, diese sich mit solchen Thesen garnicht abgegeben wollen, sie schlicht ignorieren. Das ist dann wirklich eine akademische Diskussion. Auch Wenders und Jarmusch werden nichts daran ändern.


Väter also. Warum kommt in den Liedern von Bob Dylan der Vater nicht vor? In einem seiner stärksten, It's alright, Ma (I'm only bleeding) versichert er der Mutter, daß schon alles richtig laufen werde in seinem Leben, abgesehen davon, daß er drauf und dran ist, demnächst den Kopf unter die Guillotine gelegt zu bekommen (I can make it), und gleichzeitig greift er in diesem Stück zwar nicht den Vater, aber dessen Symbolisierung (le nom du père) an, und das an zwei Stellen: "But even the president of the United States sometimes must have to stand naked" (bei Liveaufnahmen jeweils Gejohle im Hintergrund, derzeit wohl verstärkt), und später: "Although the masters make the rules for the wise men and the fools I got nothing, Ma, to live up to". Und in seinem stärksten, Like a rolling stone, schwingt er sich selber zum es immer schon besser wissenden Vater auf, wenn er mit im Hintergrund triumphierend jaulender Orgel hämisch fragt: "How does it feel to be without a home like a complete unknown like a rolling stone?" So um die 24 Jahre alt war er damals. Diesen Refrain hat er musikalisch nie varriert, soweit ich weiß, die Orgel bleibt, wie sie ist, der Tonfall auch. Und was hat dies mit Dylans never ending tour zu tun?


Soviel dazu. Nichts für ungut, Ihr


Bruno Hildenbrand