taz muss sein

Ich gestehe, dass ich die taz ("die tageszeitung") nur sporadisch lese, obwohl ich sie (u.a.) abonniert habe. Aber ich bekomme zu ihr aus rein äußerlichen Gründen - Typographie, Design der Seiten u. Ä. - keinen rechten emotionalen Bezug. Meine ständige Begleiterin hingegen liest sie regelmäßig und, wenn sie mir einen der meist wirklich guten und über das Niveau anderer Tageszeitungen hinausgehenden Artikel gibt (ich lesen 3 - 4 nationale und internationale Tageszeitungen mehr oder weniger regelmäßig, so dass ich einen ganz guten Überblick habe), dann bin ich meist sehr angetan.


Vor einigen Monaten bin ich trotz meiner ästhetischen Bedenken Mitglied der taz-Genossenschaft geworden. Der wichtigste Grund dafür war, dass ich meine, wir sollten (mindestens) eine Tageszeitung haben, die unabhängig von einem Konzern ist. Der zweite, etwas weniger wichtige Grund ist, dass ich Genossenschaften für ein interessantes Modell von Unternehmen halte, welches nicht primär den Gesetzmäßigkeiten der Profitmaximierung unterworfen ist, da meist - z.B. bei den Raiffeisen-Genossenschaften - Unternehmer und Kunden identisch sind. So ähnlich ist das ja auch bei der taz: Die Gesellschafter (=Genossen) sind auch die Leser - Gottseidank nicht nur sie.


Am Samstag war nun die Generalversammlung der taz-Genossenschaft in Berlin. Ich bin für ein, zwei Stunden hingegangen, um ein Gefühl für diese Genossenschft zu bekommen. Die Versammlung wies natürlich alle Merkmale auf, die auch bei anderen Gesellschafterversammlungen oder auch Jahreshauptversammlungen von Vereinen zu beobachten ist. Es werden Formalia abgarbeitet. Was mir aber nach dem Bericht des Aufsichtsrats auffiel, war, dass, ganz anders als in all den ähnlichen Versammlungen, an denen ich früher teilgenommen habe, nicht die Kritik an den Amtsträgern im Vordergrund stand, sondern die demonstrative Bekundung von Wertschätzung. Es grenzte an Lobhudelei. Da mir so etwas ja vollkommen fremd ist ("Nicht geschimpft ist genug gelobt!"), war ich etwas peinlich berührt. Bei zu viel Sahne wird mir immer etwas übel.


Allerdings schienen die Teilnehmer generell ganz wohlwollend auf die Welt zu schauen. Sie wirkten sympathisch - ein wenig wie die Kongressteilnehmer bei Psycho-Kongressen - und ganz zufrieden mit der taz. Und das, obwohl der Aufsichtsratsvorsitzende jedem unmissverständlich klar machte, dass sein Anteil mit Unterzeichnung gleich 20% weniger wert war, weil die taz eben keine Profite, sondern Verluste macht. Aber niemand schien damit die geringsten Probleme zu haben. Keiner hatte offenbar in die taz investiert, weil er sie für einen steueroptimierten Schiffsfond hielt, das war klar.


Was mir noch angenehm auffiel: Es gab - gratis - Gutes zu essen: Kleine Häppchen, Obst usw. - alles wohlschmeckend. Ich bin vor dem Mittagessen gegangen, und auch das Buffet am Abend ist mir entgangen. Aber schon die kleinen Schmankerln am Morgen waren weit besser als alles, was es bei Suhrkamps für teures Geld zu essen gab. Allerdings ist zu vermuten, dass es bei der Gesellschafterversammlung von Suhrkamp auch nicht so karg zugeht wie beim Sommerfest (siehe früheren Blogbeitrag zum Thema).


Über das durchschnittliche Alter der Genossen konnte ich auf der Herrentoilette nachdenken, wo rechts und links von mir vor den Pissoirs etliche Herren standen, die unter Mühe einige Tropfen durch ihre verengten Harnröhren quetschten, was mir hinsichtlich der demografischen Bedingungen, die über die Zukunft dieser Zeitung entscheiden, zu denken gab.


Alles in allem, waren das alles ganz sympatische Leute. Aber, um ehrlich zu sein, die Teilnehmer schienen mir (ich kannte ja niemanden persönlich) zu lieb zu sein. Was ich vermisst habe, war der sprichwörtliche "Links-grüne-Siff".


Vielleicht sollte ich eine eigene Zeitung gründen mit diesem programmatischen Titel...


(Anmerkung: Die meisten der unendlich vielen Rechtschreib- und Druckfehler der ersten Version habe ich korrigiert - man sollte solche Blogbeiträge eben nicht einfach so vor der Glotze hinrotzen.)