Taxifahrer

Gestern bin ich in Hannover Taxi gefahren. Am Bahnhof bin ich eingestiegen und habe dem Fahrer mein Ziel genannt. Er überlegte, deutlich sichtbar - an seinem Gesichtsausdruck ablesbar. Ich begann ihm zu helfen, indem ich erklärte, wo die Strasse liegt (klein, in einem Vorort - muss man nicht kennen).


Mehr noch: Ich sagte ihm, welchen Weg er nehmen solle. Es gibt nämlich zwei konkurrierende Strecken, und ich bevorzuge die eine, während viele Taxifahrer die andere lieber mögen. Sie behaupten, die seien beide gleich lang. Das ist aber Quatsch: Ich habe beide ausprobiert, mit dem eigenen Auto, mit dem Taxi. Der Unterschied ist ca. 1,50 - 2 Euro.


Er reagierte auf meine Wegbeschriebung damit, dass er sagte, die Deutschen (er selbst sprach sehr gut Deutsch, seine etwa dunklere Hautfarbe und der Akzent zeigten aber, dass er von irgendwo anders her kam) würden immer gleich meinen, wenn man eine Strasse nicht sofort zuordnen kann, dass man gar nichts wisse.


Ich sagte, diese Strasse müsse man nicht kennen, sie sei sehr klein, und den Weg habe ich beschrieben, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Taxifahrer gern den anderen Weg wählen.


Er entgegnete darauf gereizt, der andere Weg sei viel schöner und auch nicht weiter. Ich widersprach, ich hätte das ausgetestet und das sei nicht so. Der Unterschied seien - ich war vorsichtig - 1 Euro 50.


Drauf sagte er, wir könnten nicht den Weg nehmen, den ich wollte, weil in Hannover gerade autofreier Sonntag sein. Er fuhr dort lang, wo ich es nicht wollte. Ich sagte: Fahren Sie doch, wo Sie wollen...


Nach einiger Zeit wollte ich die etwas gespannte Atmosphäre auflockern und fragte ihn, wie lange er dann schon Taxi fahre.


Er: Warum wollen Sie das wissen? Warum stellen Sie mir so persönliche Fragen?


Ich: Ich bin halt neugierig.


Er: Sie müssen einen Grund dafür haben, dass Sie das wissen wollen...


Ich: Ja, mein Interesse an Menschen. Wie lange haben Sie das denn schon, dass Sie so misstrauisch sind?


(Und es stimmt, ich frage in Hannover immer die Taxifahrer, wo sie herkommen. Da die meisten aus Afghanistan kommen, habe ich so schon Gespräche über gemeinsame Bekannte in Kabul führen können.)


Er: Man fragt Menschen nicht nach persönlichen Angelegenheiten ohne Grund.


Ich: Sie haben recht. Es geht mich überhaupt nichts an...


Und er hat ja wirklich recht. Unser Wirtschaftssystem und damit auch viele Prozesse in unserer Gesellschaft funktionieren deswegen, weil wir uns nicht für die Personen interessieren müssen, die eine bestimmte Funktion erfüllen (ein Taxi fahren).


Es wäre ja auch wirklich schlimm, wenn sich jeder an der Kasse des Supermarktes in eine privates Gespräch mit der Kassiererin verstricken würde ("Wie war denn das Wochenende mit den Kindern? Und die Schwiegermutter, ist die immer noch so schlimm zu Ihnen?").


Ich kenne solche Leute. Sie stehen normalerweise vor mir an der Kasse, an der Spitze der Schlange.