Tausche Schuldner gegen Geld

Der Kapitalismus hat sich ja in den letzten Jahren verändert. Ein Punkt, auf den Herr Kasper - bzw. die ARD-Sendung über Sparkassen - in seinem Beitrag hinweist, betrifft den Umgang mit Schulden.


Denn seit einigen Jahren kann man als Schuldner (etwa als Häuslebauer oder als Unternehmer, der bei seiner Bank einen Kredit aufnimmt) nicht mehr sicher sein, mit wem man solch ein intimes Verhältnis, wie es die Schuldner-Gläubiger-Beziehung darstellt, eingegangen ist. Oder besser gesagt: Man weiss zwar noch, mit wem man es eingegangen ist, man weiss aber nicht, mit wem es aktuell besteht. Denn eine der relativ neuen Möglichkeiten, die der globale Kapitalmarkt eröffnet hat, ist, als Gläubiger seine Ansprüche an Schuldner zu verkaufen - unabhängig davon, ob die ihre Zinsen zahlen oder nicht.


Das führt dann z.B. dazu, dass bei einem nichts Böses ahnenden Unternehmer plötzlich der Vertreter eines anglo-amerikanischen Hedge-Fonds auftaucht und mit Nachdruck verlangt, auf die Politik des Unternehmens Einfluss zu nehmen... Denn ein Gläubiger ist in der Beziehung ja immer - der Sicherheiten, die als Pfand gegeben werden - immer so etwas wie ein Teilhaber, zumindest spätestens dann, wenn die Zahlung der Zinsen infrage gestellt ist oder scheint.


Dass man Schulden auf diese Weise verkaufen kann, ist aus systemtheoretischer Sicht so interessant, weil in ihrem Ursprung das Verleihen von Geld ja das Eingehen einer spezifischen Beziehung ist, zu der beide Seiten ja sagen. Es ist ja nicht zufällig, dass das geliehene Geld als "Kredit" bezeichnet wird (Lat. "credo": ich glaube).


Wenn nun einseitig die Verpflichtung des einen dem anderen gegenüber an einen Dritten verkauft wird, ohne dass beide zustimmen, so ist das eine einseitige Veränderung der Beziehungsdefinition. Oder anders: die Beziehungsdefinition wird zur handelbaren Ware... Gibt es ein besseres Beispiel für Dekontextualisierung?


Wo immer Geld als Kommunikationsmedium verwendet wird, eröffnet sich nicht nur die Chance/das Risiko solch einer Abstraktion vom jeweiligen konkreten Beziehungskontext, sondern ihre Wahrscheinlichkeit nimmt grandios zu...


Das ist ein wenig so, als ob ein Ehepartner seine ehelichen "Rechte" (bzw. die "ehelichen Pflichten" des Partners) auf Beischlaf an einen/eine Dritte verkaufen würde - und das auch noch ohne Wissen und Zustimmung des Partners.


Asset Backed Securities nennt man das übrigens..