Talentschuppen

Laut Handelsblatt von heute trauen Unternehmen ihrem Führungsnachwuchs nicht allzu viel zu. Nur drei Prozent der Personalchefs halten „ausschließlich im eigenen Stall Ausschau“. Und: „nur 27 Prozent (der Personalchefs) schauen vorwiegend nach Internen.“ Eine Managementberatungsfirma hat eine weltweite Studie über das Wirken von Vorstandschefs untersucht. „Fazit: Die Eigenkapitalrendite der von Insidern geführten Firmen war höher als in Firmen mit Chefs von außen.“


Der Artikel liefert zahlreiche Ideen für „Überfälle auf die Wirklichkeit“. Die Vorhersage fällt leicht, dass in Kürze die Veröffentlichungen der von großen Unternehmensberatungsgesellschaften beauftragten „Untersuchungen“ garantiert legitimationsbildende Kraft gewinnen werden. Mit wissenschaftlichem Anstrich werden hier Begründungen für die Vorteile internen Führungskräftenachwuchs aufgetischt, die ebenso aus Interviews mit Familienunternehmern aus dem Bergischen Land stammen könnten: „Er ist vertraut mit dem Unternehmen.“, oder „Er hat Netzwerke, um Dinge auch durchsetzen zu können“, oder: „Einsatz lohnt sich, Leistungsträger können Karriere machen.“, denn: „Der Externe ist per se ein Fremdkörper im Unternehmen“… Einzige Ausnahme: in Krisensituationen. „Dann sind Entscheider von außen wie ein Befreiungsschlag“, oder anders ausgedrückt: „Externe bringen frischen Wind, sind unabhängig und nicht betriebsblind.“


Erste Anregungen für „Überfälle“ (in einer anderen Wirklichkeitskonstruktion könnte man sie vielleicht auch als „Beratungsprodukte“ titulieren) liefert übrigens bereits der o.g. Artikel:

Zum Beispiel für eine Organisationsentwicklung der Abteilung Führungsnachwuchs: CTP (Corporate Talent Pipeline). Fraglich ist, inwiefern dahinter eine neue Idee steckt oder lediglich alte Konzepte, wie „encounter groups“ oder „Total Quality Circel“, reanimiert wurden? (Ich vermute, dass ein solches Produkt internen Beratern nicht anvertraut werden dürfte. Es sei denn es handelt sich bei dieser Idee um eine paradoxe Intervention aus der Supervision von externen Beratern!)


Und einen Vorschlag für ein neues Personalinstrument gibt es auch schon: „Management by hatch out“. Was das für den entsprechenden Führungsnachwuchs heißen soll? Liebevolle „Brutpflege“ bei garantierter Käfighaltung (alles aus dem eigenen Stall)… Denn, so weiß das Handelsblatt zu berichten, es sollte höchstens ein Drittel der Führungskräfte von außen kommen. „Der richtige Mix macht’s.“


Da lobe ich mir einen befreundeten Schweizer Familienunternehmer: der weiß das alles schon lange und hat vor Jahren einem befreundeten Unternehmer, der verzweifelt war, weil sein Sohn Physik (oder war es doch Philosophie?) statt Technik studieren wollte, gesagt: „Lass ihn! Da lernt er wenigstens Denken!“


Wie ich die Rückkopplungsschleifen zwischen Unternehmen und Beratungsgesellschaften kenne, könnte andererseits jedoch auch der Mythos der „Klientenprofessionalisierung“ weitere Nahrung bekommen. Schlimmstenfalls kommt es nicht zum partiellen Wirtschaftswunder und die Unternehmen machen so weiter, wie eigentlich immer: sie „machen es aus dem Bauch heraus statt mit System“ (Zitat!)

Fazit: es gibt also doch noch Hoffnung für systemische Einheiten (oder das systemische System?)!